Mi 17. Dezember 2008
20:30

Thomas Gansch Big Band „Tribute to Don Ellis“ (A/D)

Tobias Weidinger, Jörg Engels, Bernhard Nolf, Markus Exenberger: trumpet
Dominik Stöger, Robert Bachner, Markus Geiselhart, Erik Hainzl: trombone
Wolfgang Schiftner, Florian Trübsbach, Clemens Salesny, Thomas Kugi, Herwig Gradischnig: saxophone
Martin Koller: guitar
Georg Breinschmid: bass
Uwe Breunig, Herbert Pirker: drums
Thomas Gansch: leader

Programm:
Pussy Wiggle Stomp, Final Analysis, Indian Lady, Great Divide, In a turkish Bath, Concerto for Trumpet, Go back home, Bulgarian Bulge...

Der einzige Musiker, der Dave Brubeck’s „Take Five“ im 4/4 Metrum spielte, war Don Ellis. Konventionen waren für den Trompeter, Schlagzeuger und BigBand-Leader dazu da, in Frage gestellt und beiseite gelegt zu werden.
Don Ellis, der 1934 in Los Angeles geboren wurde, begann seinen eigenen Weg zur Jazzszene in den 60er- Jahren. Seine Mentoren waren die schon damals wie heute prominenten Jaki Byard und George Russell. Von ihnen lernte er, harmonische Klischees zu überwinden. Die Zwölftonmusik war gleichberechtigt neben den modalen Konzepten der Post Bebop Ära. Ausflüge in diese Gefilde erweiterter und vor allem unverbrauchter, von den Provokationen der Neuen Musik beeinflusster Klanglandschaften machte Don Ellis programmatisch auf dem Album „New Ideas“. Zu seinen Partnern gehörten Al Francis (Vibraphon), Ron Carter (Bass), Charlie Persip (Drums) und nicht zuletzt Jaki Byard (Piano). Elegant und mit stupendem Tempo (er wurde auch der Paganini der Trompete genannt) reiste er zu aufregenden Klangereignissen. Einziges Zugeständnis an den Zeitgeist blieb der swing.
Nach der Begegnung mit indischer Musik empfand Ellis auch die Tradition der afroamerikanischen Rhythmen als zu fade. Er begann, mit ungeraden Metren zu experimentieren. Etwa gleichzeitig stellte er eine 21- Mann-BigBand zusammen, mit der er auf dem Monterey-Festival 1966 einen umjubelten Auftritt hatte. Das Konzert startete mit dem Signum seines Konzepts: das Stück hieß „33 222 1 222“, das sind 19 Beats pro Takt. In dieser Extensität hatte vorher noch kein Jazzer ungerade Metren auf Haltbarkeit für die Musik getestet. Seitdem steht der Name Don Ellis synonym für Taktprovokationen. Außerdem ließ er sich eine Vierteltontrompete bauen, womit er Nuancierungen in der Artikulation und Tonbildung erreichte, die bestenfalls von Alois Haba’s Vierteltonkompositionen bekannt waren. Die Mitschnitte von Auftritten beim Pacific Jazz Festival 1966 und in Shelly’s Manne-Hole 1967 sind auf der Platte „Live in 3 2/3/4 Time“ (=11/8) dokumentiert. Hier zieht Ellis alle Register, um solche Rhythmen spannend zu gestalten, von den Themen, den (oft überraschenden) Arrangements und dem überschäumenden Temperament der Rhythmus-Section her, die aus drei Bassisten und drei Schlagzeugern bestand.
Der vertraute „Freedom Jazz Dance“ von Eddie Harris lächelt plötzlich verschmitzt, denn er dreht sich im 7/4 Takt. „Barnum’s Revenge“ ist keine Zirkusnummer, sondern eine sarkastische Persiflage auf stickige Routine.
Und „Orientation“ kombiniert 7/8 plus 9/8, geradezu eine Verhöhnung der entspannt wippenden Füße des Bebop. Doch schon bei diesen Aufnahmen, so quer sie zu Hörgewohnheiten tönen mögen, zeichnet sich auch eine Wende ab: Don Ellis, der Prophet rhythmischer Schockbehandlungen, hat seinen Stil auf der Solotrompete verändert, er spielt perkussiv, vernachlässigt, wie spätere Werke zeigen, harmonische Extravaganzen, klammert sich zunehmend an Stakkato-Attacken.
Dennoch: Don Ellis, der 1978 im Alter von 44 Jahren starb, hat rhythmisches Neuland für den Jazz erschlossen. In dieser Konsequenz hat ihm das bis heute keiner nachgemacht. Seine Musik, die leider nur tröpfchenweise wiederveröffentlicht wird, ist bei weitem noch nicht genügend kritisch gewürdigt worden. (Hans-Dieter Grünefeld)
Thomas Gansch, ein ausgewiesener Don Ellis Fan, wird an diesem Abend das äusserst komplexe BigBand-Schaffen des großen Trompeters und musikalischen Visionärs, gebührend würdigen. Empfehlung! CH