So 21. Oktober 2001
20:00

Beirach/Huebner/Mraz „Round about Federico Mompou“ (USA/D)

Richie Beirach: piano
Gregor Huebner: violin
George Mraz: bass

Als „Bartóks Großneffe in New York“ hat Richie Beirach vor einem Jahr die Jazzwelt überrascht. Wer bei Konzerten oder auf der von Kritikern gefeierten CD „Round About Bartók“ mitbekommen hat, wie selbstverständlich der Pianist im Trio mit dem Geiger Gregor Huebner und dem Bassisten George Mraz auch über Themen von Alexander Skrijabin oder Zoltán Kodály improvisierte, dürfte sich kaum wundern, dass Beirach die Verwandtschaft zu einem weiteren Komponisten der klassischen Moderne entdeckt – „entdeckt“ im engeren Wortsinn, denn noch ist sie klein, die Schar der Verehrer von Federico Mompous gänzlich unspektakulärer Musik, die doch aufhorchen lässt, sobald man mit ihr in Kontakt kommt.
An Federico Mompou (1893–1987) schieden sich schon die Geister seiner Zeitgenossen, weil er alle Trends – sogar Schönberg, Webern und andere Hausgötter der Moderne – verachtend, als Autodidakt nur seiner Intuition folgte und dabei am ehesten der Musik eines Satie oder Fauré nahe stand. Obwohl der Katalane viele Jahre in Paris verbrachte und dort gefeiert wurde, fühlte er sich wohler, wenn er weitgehend isoliert in seiner Geburtsstadt Barcelona lebte. Wie Bartók ungarische Volksmusik verarbeitete, griff Mompou häufig auf katalanische Melodien zurück.
Als Richie Beirach zu Anfang der 90er zum ersten Mal Mompous Klaviermusik in der unübertroffenen Interpretation durch die mit dem Komponisten befreundete Pianistin Alicia de Larrocha hörte, war er wie elektrisiert. Umgehend besorgte er sich Noten und fing beim Spielen „automatisch“ zu improvisieren an. Obwohl die oft spätromantisch bis impressionistisch beeinflusste Harmonik und die melodisch betonte Phrasierung für Jazzmusiker verführerisch sind, sollte sich der Umgang mit Mompou als heikler erweisen als im Falle Bartóks. Einerseits liegt der Reiz von Mompous „Selbstgesprächen“ gerade im radikalen Weglassen. Der Minimalismus seiner Miniaturen ist aus einer „Sprache des Schweigens“ geboren. Notenlinien führen ohne Taktstriche ins Leere; anstelle dramatischer Entwicklung steht ein fragender Gestus – die vollkommen unaffektierte Rückkehr in ein geheimnisvolles Reich der musikalischen Unschuld.
Drei Virtuosen des freien Umgangs mit musikalischen Vorgaben stoßen hier auf einen bis ins kleinste Detail an seinen Miniaturen feilenden Komponisten, dem alles Virtuose ausdrücklich fremd war. Das konnte nur gut gehen, weil ihnen als Jazzmusikern gelingt, was Beirach so sehr an Alicia de Larrochas klassischen Mompou-Interpretationen schätzt: nicht analytisch zu spielen, sondern „absolutely natural“. (Act)