Do 4. Februar 2010
20:30

Helmut Neugebauer „Lop:Nor“ (A)

Helmut Neugebauer: alto saxophone, flute, live electronics
Franz Hautzinger: quartertone trumpet
Josef Novotny: piano, keyboards, electronics
Jakob Schneidewind: bass
Roland Punzenberger: drums
Bernhard Breuer: drums,electronics
Bernhard Sordian aka Nippelfish: visuals

Da sage noch einer, Salzseen, diese Launen der Natur, seien zu nichts nütze: Wo sie doch mitunter zu Namensgebungen inspirieren können. Helmut Neugebauer hat seine neue CD Lop Nor genannt, der Name eines dieser seltsamen Stehgewässer in der Wüste Gobi. Ganz so, als wäre damit auch jener Ort markiert, an dem er sich in den letzten zehn Jahren aufgehalten hat.

„Man könnte das im Nachhinein als Bild dafür sehen. Ich war in der Wüste. An sich fand ich den Titel durch seine Nähe zu ,Loop Noir\\\' interessant, da meine Musik Film- noir-Assoziationen hervorgerufen hat. Später habe ich erfahren, dass Lop Nor auch der Name eines chinesischen Atomtestgeländes ist.\\\" Erinnern wir uns: Vor zehn Jahren war nicht Wüste, sondern Rauschen im Blätterwald. „Die Vögel Europas\\\" hieß die bejubelte Formation, mit der Neugebauer zwischen 1986 und 1994 durch Europa tourte und CDs mit F. M. Einheit und Elliott Sharp vorlegte. Eine Band mit vielen Gesichtern, mit Stilcollagen, eine Art europäische Antwort auf John Zorn. Warum sie Ende 1994 von der Bildfläche verschwand, darüber grübelt Neugebauer noch heute: „Ich war nach fünf Jahren aufreibendem Ein-Mann-Betrieb ausgebrannt. Zum anderen interessierten mich dann laute E-Gitarren und Bands wie NoMeansNo. Als Altsaxofonist und Flötist passte mir der Band-Schuh nicht mehr.\\\" Hinzu kam das Misstrauen gegenüber dem Hype um sein Band-„Kunstprodukt\\\".
Neugebauer zog sich zurück, komponierte für Theaterensembles, spielte Jazz in Cocktailbars und legte sich einen Laptop zu. Langsam wuchsen die ästhetischen Facetten des 46-Jährigen wieder zusammen. Lop Nor (bei Ecco Chamber), das ist weder postmoderne Unrast noch ein Ausblick in Richtung Zukunft. Vielmehr werden hier einige Themen der letzten Jahre zusammengedacht: Treibende Drum-&-Bass-Energien etwa, Reminiszenen der Inspirationen Photeks; auch den fetten Dub-Bässen und lustvoll hallenden Echokammern der Wiener Downtempo-Elektronik will sich Neugebauer nicht entziehen. Doch da ist viel Fleisch am Groove-Knochen: Die analoge Jazzyness ist nicht auf modische Bits und Pieces reduziert - hier treten Musiker an. So denkt man. Neugebauer: „Was für mich spezifisch ist, ist die Methode. Ich lade Musiker zu Aufnahmen ein und verwende diese als Materialsammlungen. Aus diesen montiere ich – manchmal nur in Einzeltönen – die Musik.\\\" Was heißt: Alle Soli auf der CD sind am Computer komponiert. „Und das klingt deshalb so organisch, weil ich kein DJ, sondern Jazzmusiker bin, der dieses Solo selbst spielen könnte.\\\" (felb, DER STANDARD, Printausgabe vom 14.6.2004)