Do 3. Juni 2010
21:00

Rudi Berger & The Three World Band (A/BRA/H/I)

Rudi Berger: violin
Ricardo Fiuza: keyboards
Bernd Schoenhart: guitar
Norbert Marius: bass
Elemer Balazs: drums

„Es ist ein Unterschied, ob du Schwammerln im Wald findest oder ob du im Supermarkt kaufst“, sagt Rudi Berger. Der damit keine mykologische Binsenweisheit, sondern einen pointierten Schlüsselsatz in Bezug auf seinen Job, nein, seinen Lebensinhalt formuliert. Der Supermarkt, das ist die aktuelle Jazzszene, in der junge Musiker schnell hohes handwerkliches Niveau erreichen, um in der Folge nicht selten nach jenen Etüden zu klingen, die sie so fleißig trainiert haben. Der Wald hingegen will eigeninitiativ erobert und regelrecht entdeckt werden: „Ich habe zwar klassische Violine gelernt, in Sachen Soul, Rock und Jazz bin ich aber Autodidakt. Ich habe mir meine Technik langsam selbst beigebracht, habe mir jeden Akkord und jede Tonleiter erarbeitet, 'er-lebt'. Und das spürst du auch!“
Eigeninitiativ erarbeitet hat sich Rudi Berger, der Geiger aus Wien-Leopoldstadt, auch seine erstaunliche Karriere. Er, der als 16-Jähriger mit Blues-Urgestein Al Cook seine erste Platte aufnahm und 1977 in der Gründungsformation des Vienna Art Orchestra mitwirkte, ging 1987, nachdem er mit der jazzrockig geprägten LP „First Step“ seine Visitenkarte abgegeben hatte, nach New York. Um den Jazz „von der Pike auf zu lernen“. Noch ehe das Heimweh überwunden war, vernahm er eines Morgens aus dem Radio Musik, die sein Herz vibrieren ließ: „Es war 'Diamond Land' von Toninho Horta“, erinnert sich Berger. „So etwas Schönes hatte ich noch nie gehört. Ein paar Monate später spielte Horta im Blue Note, ich bin ihm in die Garderobe gefolgt, habe ihm meine Platte überreicht, ihm tief in die Augen geschaut und gesagt: 'I want to work with you! Ein halbes Jahr später hat er mich für einen Gastauftritt auf seiner LP 'Moonstone' angerufen." Der Konnex zwischen Berger und dem brasilianischen Jazzgitarristen, Anfang der 70er-Jahre Bestandteil des berühmten Clube da Esquina in Belo Horizonte, erwies sich als beständig. Bald folgten regelmäßige Tourneen in Südamerika, seit 1997 verschickt Berger, nunmehr in Rio de Janeiro wohnhaft, immer wieder eine „Postcard from Brazil“ – so der Titel des 2002 veröffentlichten Albums, das der Musik des Bundesstaates um Belo Horizonte gewidmet ist: „Die Musik von Minas Gerais ist weniger rhythmisch akzentuiert, im Vordergrund stehen Melancholie, Melodie und Harmonie - was mich deshalb sehr beeinflusst hat, weil es an sich stark in mir drinnen ist. Ich komme vom Lied, ausgelöst durch meinen Großvater, einen Amateurmusiker, der 300 Volkslieder singen konnte - mit einem Falsett wie eine Lerche.“
Rudi Berger ist nicht der erste Musiker, der in der Fremde innerlich „heimgekommen“ ist. Schon immer als großer Melodiker bekannt, haben die Weltenbummlerjahre sein Spiel auf den Punkt gebracht. Heute versteht er es glänzend, seine Violine singen und atmen zu lassen, jeden einzelnen Ton mit Aussage und Spannung aufzuladen. Sentimentalität und Schmalzigkeit nicht auf Distanz zu halten gehört für Bauchmusiker „Rudinho“, den Toninho Horta einst zum „King of Ballads“ ernannt hat, mit zum Plan – schließlich gibt er ganz bewusst das schwierige Wort „Schönheit“ als die erstrebenswerteste Ausdrucksqualität an. ... (Andreas Felber, 2004)