Sa 25. Dezember 2010
20:30

Kollegium Kalksburg (A)

Heinz Ditsch: accordion, singin chainsaw, vocals
Paul Skrepek: drums, red doubleneck guitar, vocals
W.V.Wizlsperger: vocals, tuba, comb

In der Tramway sitzt der Wiener vorzugsweise gegen die Fahrtrichtung, damit er, auch wenn er sich vorwärts bewegt, zurückschauen kann. Voll der Zweifel an der Metaphysik sieht er sich zuweilen gezwungen, danach zu fragen, was fürs Pumperl überhaupt noch pumpenswert ist in diesem Jammertal, wo Wein, Weib und Gesang bloß limitiert zur Verfügung stehen, die Leber oft zur Sorgenfalte geschrumpft ist. So gehören Zweifel und Verzweiflung seit je zu den Grundfesten des Wienerliedes. W.V.Wizlsperger, Dichter, Sänger, Kontrabassist und Tubaspieler des 1997 erstmals auf Tonträger aufgefallenen Kollegiums Kalksburg, sieht so auch ein, dass dessen jüngstes Gastspiel in Otto Brusattis Ö1-Klassik-Treffpunkt einige wütende Anrufe zeitigte: „Wir waren alle sehr verkatert und hätten uns gewünscht, dass der Brusatti ein wenig böser zu uns gewesen wäre, damit wir ein bisserl aufgewacht wären. Es war halt kein typischer Klassik-Treffpunkt, umso mehr hat es uns gefreut.“ Kontragitarrist Paul Skrepek ergänzt: „So sehr, dass wir uns redlich bemühten, nicht zu sarkastisch zu sein und das musikalische Hosentürl nicht zu weit aufzumachen.“ Der Gefahr künstlerischer Anbiederung an über- bis verkommene Formen begegnet das Trio nicht nur live souverän. Die neue CD „Imma des söwe“ changiert zwischen originellen Eigenkompositionen, entschlossen interpretierten Raritäten von Ernst Kölz und Joe Berger, ironisierten Klassiker-Zitaten wie „Es wird a Wein sein“ und einer raffiniert ungeschickten englischen Version von „Waun da Heagod net wü“. Basis ihrer Kunst ist neben der an Helmut Qualtinger gemahnenden Persönlichkeit von W.V.Wizlsperger eine gewisse musikalische Laissez-Faire-Attitüde. Die drei Herren des Kollegiums, Wizlsperger, Skrepek und Heinz Ditsch, hatten zwar einige Erfahrung in den Genres Jazz und Schlager, allein es fehlte der Wille zur Karriere.

Ihre nun so innige Liaison mit dem Wienerlied begann beiläufig. Skrepek: „Kennen gelernt haben wir uns in der Gruppe ,Franz Franz & Melody Boys'. Irgendwann bekam ich einen Anruf vom ,Herz.Ton.Wien.-Festival'. Die haben mich sicher mit Peter Paul Skrepek verwechselt. Bevor sie ihren Irrtum bemerkten, sagte ich zu. Rasch war ein Programm zusammengestellt. Seither sind wir am Wienerlied hängen geblieben.“ Zu Beginn kritisch beäugt von der Konkurrenz, haben sich die drei Musiker, die ihre Zukunft scheinbar schon erfolgreich hinter sich gebracht hatten, an der Peripherie des so genannten Neuen Wienerliedes niedergelassen. Prof. Ernst Weber, Doyen des wissenschaftlich orientierten Zweiges des Wiener Volksliedwerks, ästimiert „die Frische und die Originalität“ der drei Spätberufenen. Wizlsperger: „Nachdem die Kollegenschaft gesehen hat, dass wir ein wenig danebenstehen, begreifen sie uns mittlerweile nicht mehr als Feinde. Wir tun ja nicht das Liedgut pflegen.“ Tatsächlich sind es die mitunter auch musikalisch ein wenig abstrusen Eigenkompositionen wie das epische, viele ungeahnte Wendungen nehmende „Ein schöner Tag“, die das Kollegium Kalksburg auszeichnen. Die derb-philosophischen Texte entstehen immer vor der Musik, obwohl Wizlsperger gerne mal „Silben auf Noten picken würde.“
Inhaltlich widmet sich der mal brutal, dann wieder sehr weh agierende Sänger, der eine ungeklärte Vorliebe für den Vornamen Gerda hat, bekannten Topoi, formuliert jedoch sehr vital ins Monströse aus. Etwa in „Zizalweis“ und „Heazzkaschbalboika“, wo der eigene Verfall auf wohlig gruselige Weise behandelt wird. Skrepek: „Im Zentrum steht der Schmäh vom Wizlsperger. Der Heinz und ich versuchen, den Hintergrund zu organisieren. Ab und zu reißen aber auch wir die Pappn auf. Manchmal passt's und manchmal net. Wenn's net passt, ist's aber oft noch besser.“ Trotz Gastspiel in München nächste Woche scheint der Weg zur Weltkarriere noch weit. Skrepek: „Das Business ist halt sehr zäh. Uns fehlt ein Manager vom Schlage eines Brian Epstein. Dabei wär´ es so einfach mit uns, weil wenn wir einmal spielen, ist der Nutzen so groß.“ (Samir H. Köck, 2004)