Fr 18. März 2011
20:30

Paul Kuhn Trio (D)

Paul Kuhn: piano, vocals
Martin Gjakonovski: bass
Willy Ketzer: drums
special guests: Gabi Goldberg: vocals

Er hat gute und auch ziemlich schlechte Zeiten hinter sich. Der Musiker Paul Kuhn hielt dem Jazz immer die Treue, auch wenn er im Schlager davon abriet, nach Hawaii zu fahren, weil es da kein Bier gibt. Heute ärgert er sich über Volksmusik. An diesem Mittwoch (Anm.: 12. März 2008) feiert Kuhn seinen 80. Geburtstag. Wer swingt marschiert zwar nicht, singt aber notfalls Stimmungslieder. Für die Nachkriegsdeutschen war Paul Kuhn „Der Mann am Klavier“. Über die Sechzigerjahre tröstete er seine Bier trinkenden Landsleute hinweg, indem er davon abriet, nach Hawaii zu reisen. 1968 gründete Paul Kuhn beim Sender Freies Berlin die Rundfunk-Big-Band. 1968 galt ein Swing-Orchester schon als Bollwerk gegen alles Neue, Ungezogene und Laute.
Paul Kuhn ist ein Könner. Doch der Musiker hat auch einfach Spaß am Leben: 1963 veröffentlichte er den Titel "Es gibt kein Bier auf Hawaii".
Als Paul Kuhn ein junger Mann war, in den späten Dreißigern und frühen Vierzigern, galt Swing als unerhört. In einer Wiesbadener Kneipe namens "Eimer" spielte er sich zunächst als Akkordeonschüler ins Gemüt des Publikums. Er siegte an der Ziehharmonika beim Landeswettbewerb von Hessen-Nassau. 1936 trat der Achtjährige bei der Funkausstellung in Berlin erstmals im Fernsehen auf. Dann kam der Krieg und mit dem Krieg der Propagandafunk der Briten.
"Es gab die Wahrheit und zwischendurch immer Jazz", erinnert sich Paul Kuhn. Er wurde Pianist in Alliiertenclubs, er adaptierte fremdes, arrangierte eigenes und arbeitete für den Sender AFN. Noch 1958 trat Paul Kuhn im NDR in einer sprechenden Rolle auf, die sich im weiteren Sinn dem Geist des Jazz verdankte: In Max Frischs "Biedermeier und Brandstifter" spielte er den Feuerwehrmann.
Es blieb aber so eine Sache mit dem Jazz in Deutschland. "Es ist mir nicht peinlich, dass ich Schlager gesungen habe", gab Paul Kuhn unlängst bei WELT ONLINE zu Protokoll. "Mein damaliger Produzent fragte mich: Willst du einen Schallplattenvertrag? Ich sagte: Ja, natürlich, wer nicht? Er meinte: Du musst aber deutsch singen. Ich: Ach, schade. Und dann kam 'Der Mann am Klavier'. Ich fand, das musste jetzt nicht unbedingt sein. Aber Vertrag war Vertrag. Ich hab's gesungen, mit Widerwillen. Vielleicht hat genau dieser Widerwillen dazu geführt, dass das Stück so gut gegangen ist."
Paul Kuhn sang also Lieder wie "Die Farbe der Liebe". Im kollektiven Gedächtnis der Siebziger hinterließ er bleibende Spuren als TV-Sketchpartner Harald Juhnkes. In den Achtzigerjahren war Paul Kuhn plötzlich verschwunden, sogar aus dem Fernseher. Seine "Gong Show" wurde eingestellt, die Big Band aufgelöst und selbst sein Schlager-Schallplattenvertrag gekündigt. 1988 schrieb er das Buch "Swingende Jahre. Der Mann am Klavier erzählt seine Lebensgeschichte." Diese las sich, als sei in der deutschen Unterhaltungslandschaft Platz für einiges, nur nicht für 60-Jährige.
An diesem Mittwoch gratulieren wir Paul Kuhn zum 80. Er wird den Tag auf angemessene Weise feiern: mit einem Konzert in Wiesbaden, seiner Geburtsstadt. Seit zwölf Jahren spielt er wieder Jazz im eigenen Trio; seit 2000 ist er mit Max Greger, Hugo Strasser und SWR Big Band unter dem Motto "Swing Legenden" unterwegs. Der Swing hat sich in Nostalgiebädern verjüngt.
Paul Kuhn dient heute so verschiedenen Musikern wie Roger Cicero, Till Brönner und Andrej Hermlin als geistiger Großvater. Der schimpft: "Ich werde verrückt, wenn im Fernsehen volkstümliche Musik oder irgend so etwas läuft. Egal, was es ist, es wird sofort drauflos geklatscht, damit es schön schwer und stampfig wird." Auch wer zivil marschiert, hat keinen Swing. (Welt online)