So 15. Mai 2011
20:30

Dhafer Youssef's Abu Nawas Rhapsody (TUN/F)

Dhafer Youssef: oud, vocals
Tigran Hamasyan: piano
Chris Jennings: bass
Mark Guiliana: drums

Der Tunesier Dhafer Youssef gastierte mit seinem neuen Album im Porgy & Bess.

In Wien lümmeln viele falsche Italiener herum. Sie lehnen gerne an Kleiderständern in Jeansboutiquen oder kneten Teig in Vorstadtpizzerias. Mitte der Neunzigerjahre gehörte auch Dhaffer Youssef zum Personal eines italienischen Lokals. Mochten dort auch von der Idee eines strikt vitalen Südens überzeugte Fräuleins romantische Spekulationen gehegt haben, der Sänger und Oud-Spieler brütete Unerwartetes aus: Seine erste musikalische Chance erhielt er im alten Porgy& Bess in der Spiegelgasse, wo er mit Kollaborationen mit Iva Bittova, Tom Cora und Linda Sharrock aufhorchen ließ. Ein paar Jahre später lebte er schon in Paris und driftete musikalisch nordwärts.
Eine Zusammenarbeit mit dem Elektronikmusiker Bugge Wesseltoft führte dazu, dass der Tunesier seither für das norwegische Label Jazzland aufnimmt. Einige Jahre praktizierte Youssef die modische Fusion aus Akustikjazz, Ethno und Elektronik. 2008 folgte die unbedingte Hinwendung zum Akustischen. Nun stellte der heute zwischen Sidi-Bou- Said und Paris pendelnde Musiker sein aktuelles Projekt „Abu Nawas Rhapsody“ im prall gefüllten Porgy & Bess vor. Seine Hommage an den schon in den „Geschichten aus 1000 und einer Nacht“ erwähnten Dichter Abu Nawas erinnerte trotz köstlicher arabischer Zutaten an die hohe Schule nordischer Elegie, wie man sie aus zahlreichen Aufnahmen des Labels ECM kennt. Youssef und sein superbes Trio begannen mit „Sacré – The Wine Ode Suite“. Pianist Tigran Hamasyan sorgte mit wenigen Noten für kontemplative Stimmung. Der einstige Koranschüler Youssef überraschte als Sänger mit verwegenen, hohen Tönen, die erstaunliche Ähnlichkeit zu Terje Rypdals behutsam verzerrter E-Gitarre aufwiesen. Das famose Trio begeisterte mit auf- und abschwellenden Grooves, deren hervorstechendste Eigenschaft wunderbare Einfachheit à la Cannonball Adderley war.

Leader Youssef hatte es nicht leicht, neben dem groß aufspielenden Pianisten Hamasyan und dem konsequent groovenden Bassisten Chris Jennings zu glänzen. Das gelang ihm am besten in den stilleren Passagen von „Khamsa“ und „Sura“, in welchen das Thema Sehnsucht besonders innig aufgearbeitet wurde. Da vermischten sich dann erotische und spirituelle Strebungen in trunkenem Überschwang. Abu Nawas, der zahlreiche Oden auf die segensreichen Wirkungen des Alkohol gedichtet hat, wäre von dieser musikalischen Erhebung der Entgrenzung wohl ähnlich angetan gewesen wie das begeisterte Publikum. (Samir H. Köck, 2010)