Do 5. Mai 2011
20:30

Pharoah Sanders Quartet (USA)

Pharoah Sanders: tenor saxophone, vocals
Jonathan Gee: piano
Mark Hodgeson: bass
Gene Calderazzo: drums

Mit der „Presse“ sprach er u.a. über die Sitar und John Coltrane, mit dem er ab 1964 gemeinsam spielte. Den Namen verdankt er Sun Ra, bei dem er Anfang der 1960er in New York auftrat.

Im zarten Alter von 25 Jahren erfuhr Pharoah Sanders, heute 67, die höchste Heiligung, die der Jazz in den Sechzigerjahren bieten konnte: Der große John Coltrane (1926 bis 1967) nahm ihn in seine Band auf und prägte ihn mit seinem Konzept eines spirituellen Free Jazz für immer. Heute will Sanders im Interview keinesfalls auf den alten Mentor angesprochen werden – und er schreckt auch nicht davor zurück, den Fragenzettel des Journalisten aufs Reizwort „Coltrane“ durchzuschauen. Aber dann bricht er selbst die Regel und erzählt eine Anekdote, die freilich demonstriert, wie früh er seinen Eigensinn entwickelte. Ob er denn – wie einst Earl Bostic – ein F auf dem Tenorsaxofon spielen könne, fragte Coltrane. „Ja“, antwortete Sanders, „aber nur, wenn ich mein linkes Bein dabei hebe – und das will ich nicht!“ Ab 1966 durfte Sanders auf dem gleichen Label wie sein Lehrherr veröffentlichen: Auf „Impulse“ erschienen legendäre Alben wie „Tauhid“, „Karma“ und „Thembi“. Sie bergen einen wunderbaren Klangkosmos, schönste Melodien wie losgelöstes Freitönen. Erstaunlicherweise ist Sanders heute mit dem Sound seiner berühmtesten Platten unzufrieden. Er zieht das Klangbild seiner Achtzigerjahre-Aufnahmen vor: „Mir war es immer wichtig, einen Klang zu entwickeln, der an eine Sitar erinnert. Dem nachzusinnen, ist meine ewige Herausforderung. Unzufriedenheit hält mich am Suchen.“ Die Sechzigerjahre waren die Ära, in der Jazz politisch wurde. Etwa in Gestalt von Archie Shepp, dem Zornigsten aus der Coltrane-Schule, der unverblümt politisch agitierte. Und Sanders? „Ach, wissen Sie, ich war immer so damit beschäftigt, das richtige Mundstück zu finden, da konnte ich mich nie auf diese Veränderungen in der Gesellschaft einlassen...“ Das Saxofonspielen ist ihm immer noch die beste Meditation, mit deren Hilfe er sich aus den heute wieder enger gestrickten Erwerbszusammenhängen befreit. Wie eine reinigende Explosion muteten die ersten Töne an, die Sanders ins volle Wiener Porgy & Bess pustete. Es war das durch Coltrane unsterblich gewordene „My Favourite Things“, das Sanders da durch sein Horn quetschte und verheerte, zuweilen auch innehielt und die wertvolle Melodie herzte. Kurzweilige 40 Minuten lang. Da bekamen selbst profan ausgerichtete Hörer eine Ahnung davon, was Transzendenz ist. Wohin Sanders' Bewusstsein während des Spiels wandert, weiß er selber nicht. „I was in another place“, pflegt er über diesen Zustand der Entrückung zu berichten. Insistiert man, bekennt er Erstaunliches: „In den Sechzigerjahren nahm ich ein einziges Mal LSD. Diese Erfahrung veränderte meine Art, Saxofon zu spielen, für immer. Eigentlich sehe ich das Saxofon seit damals nicht mehr nur als Musikinstrument. Es ist vielmehr eine Brücke zu neuen Erfahrungen.“ Diese will er in aller gebotenen Vielfalt mit seinen Fans teilen. Neben der Coltrane-Ballade „Say It (Over And Over Again)“ hörte man späte Echos seiner Verehrung für obskure Blueser wie CeDell Davis. Die größte Überraschung war, dass der oft so grimmig blickende Musiker auch tanzen kann: Mit dem afrikanischen „Nigerian Juju Hilife“ bekannte er sich zu überschäumender Lebensfreude. Danach ging die rasante Version von „Giant Steps“ wie Öl runter, konnte man auch ein so nachdenkliches Stück wie „Save Our Children“ richtig würdigen. Das beseelte „The Creator Has A Masterplan“ steigerte die Begeisterung noch. Absolutes Highlight aber war das hymnische „You've Got To Have Freedom“, bei dem Sanders' Saxofon jugendlich glühte. Wie seine Augen. Ein großer Abend. (Samir H. Köck, 2008)
Eintritt: 35.- € Sitzplatz, 28.- € Stehplatz