Mo 5. März 2012
20:30

Mikhail Alperin Solo (RUS/N)

Mikhail Alperin: piano

Wie ein schwarzer Monolith steht der Flügel im Zentrum des Saales, eingetaucht in sanft schimmerndes Kerzenlicht. Die Sitzreihen sind kreisförmig um das mächtige Instrument herum angeordnet. Es war schon eine merkwürdige Atmosphäre, in die man am vergangenen Dienstag beim Betreten der Brotfabrik eintauchte. Alles wirkte irgendwie sanft, betörend, dabei sollte die ungewöhnliche Kulisse eigentlich nur für die „größtmögliche Nähe zwischen Publikum und Mikhail Alperin sorgen“, wie es hieß. Tatsächlich wirkte das Konzert des 1956 in der Ukraine geborenen Pianisten intimer als so manch anderer Soloauftritt berühmter Ethno-Jazzer. Während ein Jan Garbarek immer mehr in die esoterische Belanglosigkeit abdriftet, haben die Kompositionen Alperins etwas, was dem norwegischen Saxophonisten mehr und mehr abhanden kommt: Eine emotionale Tiefe, die eben nur entsteht, wenn die Folklore der Heimat das Fundament der Musik bildet und nicht bloß Lieferant exotischer Klangklischees ist. Alperin spielt die Musik Osteuropas; er schafft eine Essenz aus folkloristischen Klängen und Strawinsky, und gibt sich ihr hin, anstatt sie nur distanziert zu betrachten: Voller Inbrunst windet er sich am Klavier und singt dabei seine teils entwaffnend einfachen, teils hoch komplexen Melodien laut mit – ein Schauspiel, das durch die große Nähe von Zuschauer und Pianist umso intensiver wirkt. In der Öffentlichkeit gilt der 46-Jährige seit vielen Jahren als einer der aufregendsten Jazzmusiker Europas. Trotzdem stand der Jazz eindeutig nicht im Mittelpunkt des Abends, er reicherte die Stücke lediglich harmonisch an, war dabei aber gleichbedeutend mit Einflüssen eines Olivier Messiaen oder, man höre und staune, eines Michael Jackson. Dessen Human Nature bildete gegen Ende des Konzertes die Basis für ein Divertimento zwischen Piano und Metronom.
Trotz der verschiedenen Elemente war die Musik stets vom Geist Osteuropas durchdrungen und wurde besonders durch Alperins dynamisches, perkussives Spiel veredelt. Gerade durch seinen äußerst präzisen Anschlag entstanden oftmals rhythmisch hochkomplexe Klanggebilde, denen häufig mehrere Taktarten zugleich zugrunde lagen, die dabei aber stets fließend und organisch wirkten. Es war aber auch ein Abend der Gegensätze, da Alperin den furiosen Toccaten einfache, fast schon kindlich anmutende Balladen entgegensetzte. Nach und nach verschmolz die Musik mit dem geheimnisvollen Ambiente des Raumes zu einem stimmungsvollen Ganzen - schlicht, aber mysteriös, stürmisch und doch sanft. Das zeigt, dass Mikhail Alperin nach wie vor zu denjenigen Musikern gehört, in deren Spiel diese konträren Eigenschaften zu einer Einheit verschmelzen und die auch alleine faszinierende Klangwelten schaffen können. (Peter Bongard)