Mo 3. September 2012
20:30
The Truth and the Abstract Blues - A Tribute to the Art of Counterpoint by Johann Sebastian Bach

Dan Tepfer Solo (USA) / Renald Deppe's Polyphonic Structures (A)

Dan Tepfer: piano

Polyphonic Structures
Renald Deppe: baritone saxophone, conception
Clemens Salesny: soprano saxophone
Vincent Pongracz: alto saxophone
Werner Zangerle: tenor saxophne
Manu Mayr: bass
Herbert Pirker: drums

Part II
Dan Tepfer Solo
Goldberg Variations (BWV 988) / Variations (J.S. Bach & Tepfer)

Part III
Polyphonic Structures
J.S. Bach: Kunst der Fuge (BWV 1080) & Thoughts about Johann: Interludes, Statements & Annotations

Ein ganzheitlich angedachter Abend: ein Sommernachts(alb)traum: ein kontrapunktischer Hexentanz: ein Aufmerksamkeits-Marathon im im schnelllebigen Doppelklick-Zeitalter der Zapping-Heroes. Würde J.S. Bach nur eines der heute aufgeführten Werke geschrieben haben: Ein unverrückbarer Ehrenplatz in der abendländischen Musikgeschichte wäre ihm sicher. Doch es ist entsetzlich wie wunderbar: Gleich drei unvergleichliche Meisterwerke aus der auch vor abenteuerlichen Dissonanzen nicht zurückschreckenden Feder des Kontrapunkt-Magiers werden heute in großen Teilen zur Aufführung gebracht. (Und bitte nicht vergessen: Das BachWerkeVerzeichnis besteht aus 1128 aufgeführten Tonschöpfungen!)
Daneben er- und durchlebte der Komponist noch 2 Ehen mit 20 Kindern, war ein gefeierter Orgel- und Klaviervirtuose und zeitlebens ein gesuchter Kantor und Pädagoge, zumeist im Dienste der Kirche und des Adels. Letzterer Tätigkeitsbereich, sein eigentlicher Broterwerb, nahm fast all seine Zeit in Anspruch. Komponiert wurde meist nachts, bei Kerzenlicht...: Über der Arbeit an der "Kunst der Fuge" erblindete der Meister, der letzte Kontrapunkt bricht ab, wurde nie fertiggestellt.
Viel wäre zu sagen über das enigmatische Schaffen, das unglaublich dichte Arbeitspensum, das kräfteraubende Arbeitsumfeld dieses Tonsetzers.
In der heutigen Zeit mit ihren schamlos pervertierten Leistungsträgern, jenen an- und vorgeblichen Alphatieren eines global agierenden Polit- und BusinessZoos einer allmählich sich selbst auslöschenden weil sich maßlos überschätzenden Gesellschaft, deren am meisten geschundene und gedemütigte Mitglieder dann zumeist aus Verzweiflung radikalen theologisch-ideologischen Verirrungen anheimfallen, beschreiben vielleicht gerade diese wenigen Zeilen quasi kontrapunktisch den wahren Standort des bescheidenen Erdenbürgers J.S. Bach, welcher vermittels seiner Musik so vielen Hör-Generationen Trost, Kraft, Freude, Hoffnung und Ein- und Zuversicht spendete:

Ermutigung nach 200 Jahren
(auf dem heimweg von einem orgelkonzert)

Zu füßen gottes, wenn
gott füße hat,
zu füßen gottes sitzt
bach,
nicht
der magistrat von leipzig

Reiner Kunze (Auf eigene Hoffnung, Gedichte, 1981)
(Renald Deppe)