Sa 29. Dezember 2012
20:30

Sterzinger Experience (A)

Stefan Sterzinger: accordion, vocals
Lothar Laesser: accordion, vocals
Alexander Gheorghiu: violin, vocals
Franz Schaden: bass, vocals
Jörg Mikula: drums, vocals

Stefan Sterzinger dürfte das Akkordeon wirklich lieben, immerhin finden sich gleich drei davon in seiner aktuellen Formation. Wie er überhaupt tendenziell ein Mann der Übertreibung zu sein scheint, was mir nicht unsympathisch ist. Nach dem Scheitern der unglaublichen Franz Franz and the Melody Boys 1994 schlug sich der Sänger, Akkordeonist und Konzeptionist (Eigendefinition) mit diversen Jobs durch, veröffentlichte 2008 eine »Geheim-CD« (wegen des schwachen Verkaufs), bis er eher nolens volens plötzlich eine neue Band hatte. Schnörkellos »Rock’n Roll« nennt sich das neue Opus, und was die Haltung betrifft ist das gar nicht verkehrt. Nur steckt die Unerschrockenheit desselben vielmehr in der Tollkühnheit mit der hier aus (teils) Bestehendem Neues gedrechselt wird. Etwa wird der Bluesrock von »Honky Tonk Woman« total »versterzt« und karg instrumentiert zu einem Tango-Tränendrücker, der mit dem Original nur noch den Text gemein hat. Richtig kurios wird’s in »Hansi tu‘ die Hände rauf«, in dem Textfragmente von Falco, Peter Cornelius und Georg Danzer im Dada-Style kombiniert werden, der »Folsom Prison Blues« wird in Lichtgeschwindigkeit absolviert, »Franziska verzeih mir nimmt textliche Anleihe bei Konrad Bayer. Schon mal in Wien angedockt gibt’s noch »It ain’t me Babe« in der Ambros-Textversion. Weil man bei Sterzinger auf alles gefasst sein muss, fährt »Gute Nacht, Senorita« (Udo Jürgens) mit dem Trans-Balkan-Express, wie auch »La Paloma«. Neben diesen Klassikern stehen ebenbürtig die »kompletten« Eigenkompositionen, besonders das düstere »I bin in Wien«, wobei bei der Sterzinger-Experience eh jedes Stück zur Eigenkomposition wird. Das alles wird sicher unter »neues Wienerlied« kategorisiert, klingt dabei aber erstaunlich international, oder eben wie Austropop ohne Austropop (Rainer Krispel). Sterzinger singt brüchig, oft mit sich überschlagender Stimme, was gewöhnungsbedürftig ist, gleichzeitig gibt genau das diesem Projekt seine Unverwechselbarkeit; und diese ist (nicht nur) in der Musik – weil selten anzutreffen – viel wert. (Stefan Koroschetz/skug)