Mo 3. Dezember 2012
19:00

Tun Sie etwas! (X): Hommage an Hanns Eisler (I)

Anna Hauf: The Voice
Clemens Salesny: Sopransaxophon, Klarinetten
Vincent Pongrácz: Altosaxophon, Klarinetten
Werner Zangerle: Tenorsaxophon, Klarinette
Renald Deppe: Baritonsaxophon, Klarinette, Arrangements
Markus Kraler: Kontrabass

Lost & Found: Hommage an Hanns Eisler
TUN SIE ETWAS! (X) Für & Von Hanns (1898-1962) I
Hollywood Songbook

»Ich lebe hier (Los Angeles) in einer abscheulichen Hitze (und mit meinen äußerst mageren Geldmitteln) von Verabredung zu Verabredung, von Telefonanruf zu Telefonanruf wie in einem abscheulichen Traum. Für mich ist es hier eine Hölle der Dummheit, der Korruption (einer wahrlich unbeschreibbaren!) und der Langeweile. Das einzig gute ist mein neues Liederbuch ("Hollywooder Liederbüchlein") genannt.« (Hanns Eisler, Ton- & Zeichensetzer.)

Tun Sie etwas: Jeden ersten Montag im Monat (und diesmal auch den Dienstag) widmet "Lost & Found" jenen Anfängen, denen es stets zu wehren gilt.
Gedacht wird an die vielen gewaltsamen Ausgrenzungen all jener selbsternannten (und manchmal auch mehrheitlich gewählten) Sitten-, Rassen-, Heimat- und Leistungswächter. Eingemahnt werden die schändlichen Vertreibungsstrategien all jener unheiligen Gralshüter, welche durch blutige Reinhaltungshysterien die von ihnen und ihresgleichen beanspruchten vermeintlichen Paradiese wertkonservieren wollen.

Gedacht wird in diesen Tagen an einen großen Zeitzeugen, Pädagogen und Komponisten: Hanns Eisler, österreichischer Ton- & Zeichensetzer. 1898 in Leipzig als Sohn des aus Wien stammenden Philosophen Rudolf Eisler und dessen Gattin Ida Maria Fischer geboren, verbrachte Eisler seine Kindheits- & Jugendjahre (1901-1916) in der donausoblauen NurDuAlleinStadt. Später, nach absolviertem Kriegsdienst in der österreichisch-ungarischen Armee, studierte Eisler ab 1919 u.a. bei Anton von Webern und Arnold Schönberg. In diesen Jahren wuchs sein sozial-politisches Engagement infolge dessen es zu einer grundlegenden Meinungsverschiedenheit mit seinem verehrten Lehrer kam:
»Aber es ist wirklich zu dumm, dass erwachsene Menschen, Künstler, die wahrhaftig Besseres zu sagen haben sollten, sich mit Weltverbesserungstheorien einlassen, obwohl man ja aus der Geschichte wissen kann, wie all das ausgeht. Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich ihn wie einen dummen Jungen übers Knie legen und ihm 25 heruntermessen und ihn versprechen lassen, dass er nie mehr seinen Mund aufmacht und sich auf Notenschreiben beschränkt. Dafür hat er Talent und das andere soll er andern überlassen.«
(Arnold Schönberg über Hanns Eisler, Brief an Josef Rufer nach Eislers Verhör (1947) vor dem Ausschuss zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeiten)

Gedacht wird an einen der vielseitigsten und produktivsten Musiker des 20. Jahrhunderts, dessen Name insbesondere für die Idee des »politischen Komponierens« steht unter den oft gespenstisch widersprüchlichen gesellschaftlichen Bedingungen seiner Zeit: Hanns Eisler, ein stets an die Pflicht zum Ungehorsam erinnernder Künstler, ein früher unbeirrbar an die Selbstbestimmung des Menschen glaubender Songwriter. Ein wahrlich zeit-, rast-, schonungs-, hemmungs- & atemloser »HannsDampf«, welcher trotz der vielen außermusikalischen Vorgaben seiner jeweiligen Lebenswelten unter keinen Umständen auf kreative Intelligenz und betörende Schönheit in seinen Werken verzichten wollte.

Gedacht wird daran, dass der konstruktive Aktivist von vielgestaltigen, niemals plakativ auftrumpfenden »Zeigefingertönen«, dass der angagierte Konstrukteur humormusikalischer »Feinstaubnuancen« vor 50 Jahren nach langer (oftmals nicht freiwillig angetretener) Odyssee in Berlin/Ost verstarb. Und es möge daran erinnert werden, das aus dem Schaffen des Kommunisten Hanns Eislers auch folgende Sätze des italienischen Religionsphilosophen Romano Guardini herauszulesen sind:
Zum Wesen des Kunstwerks gehört, dass es wohl Sinn hat, aber keinen Zweck.
Es ist weder um eines technischen Nutzens noch eines ökonomischen Vorteils noch einer didaktisch-pädagogischen Unterweisung und Besserung, sondern um der offenbarenden Gestalt willen da.
Es beabsichtigt nicht, sondern »bedeutet«; es »will« nichts, sondern es »ist«.

Gedacht wird an den traurigen Umstand, das hierzulande so wenig an Hanns Eisler gedacht wird.

Herzlich Willkommen: Renald Deppe.

P.S.:
Aber auch das sollte bitte (nicht nur) jeden ersten MonatsMontag möglich sein: Aus den Aufzeichnungen (1992-1993) eines Elias Canetti:

Bauern im südindischen Karnataka:
»Nach monatelangen fruchtlosen Protesten versammelten sie sich jetzt vor dem Parlamentsgebäude und lachten zwei Stunden lang die Regierung aus. 2000 Polizisten schauten tatenlos zu.«

Eintritt: Pay as you wish an der Abendkassa bzw. 7,50.- € im VVK inkl. Sitzplatzreservierung