Joachim Kühn: piano, alto saxophone
Majid Bekkas: vocals, guembri, oud
Ramon Lopez: drums, tabla, percussion
„Wann weiß man schon, dass man eine funktionierende Band hat? Sowas ist unplanbar“, sinniert Joachim Kühn. Er, der 66-jährige Veteran einer traditionsbewussten Avantgarde, Partner von Größen wie Michel Portal, Archie Shepp, Ornette Coleman, Rabih Abou-Khalil, Stan Getz, Michael Brecker, oder Michael Wollny, und einer der wenigen deutschen Weltstars des Jazz, ahnte jedenfalls nicht, was daraus werden würde, als er Majid Bekkas 2003 kennenlernte, den Guembri-Meister und spiritus rector der marokkanischen Musikszene. Doch aus der ersten Begegnung – bald stieß noch der in Paris lebende spanische Schlagzeuger und Perkussionist Ramon Lopez dazu - wurde schnell eine tiefgehende Freundschaft und eine für alle inspirierende musikalische Partnerschaft. 2007 veröffentlichte man das erste gemeinsame Album Kalimba (ACT 9456-2), zwei Jahre später folgte das mit Gnawa- Musikern aus Marokko und dem Benin größtenteils in der Wüste eingespielte Out Of The Desert (ACT 9475-2). Beide Alben wurden mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Und nun, wieder zwei Jahre später, folgt der dritte Streich: Chalaba.
Kühn, Bekkas, Lopez, das ist bereits jetzt das Dream Team, das magische Dreieck einer sich ganz organisch und harmonisch ergebenden Weltmusik, die trotz größtmöglicher Freiheit der Beteiligten zu einer bezwingenden Form und zu immer druckvolleren Songs findet. „Wir spielen deshalb immer weiter zusammen, weil die Musik sich so einmalig entwickelt. Es wird immer besser“, befindet Kühn. „Die Band hat inzwischen bei uns dreien Priorität.“
Wie schon bei Kalimba ging es auch für Chalaba wieder ins tief in der Eifel gelegene Studio von Tonmeister Walter Quintus, dem Kühn blind vertraut: „Er ist einer der besten der Welt, da gibt es keine Frage. Außerdem ist er mein Partner seit nunmehr 40 Jahren. Wir sind ein eingespieltes Team.“ Ein Woche lang wohnte, lebte, aß und spielte man dort zusammen, und die zugleich relaxte wie konzentrierte Arbeitsatmosphäre hört man auf Chalaba.
In allen Farben leuchtet dieses Album und bestätigt Dave Brubecks Urteil über Kühn, dass er über alle Fähigkeiten, die seinem Grundverständnis von modernem Piano entsprechen, verfüge: Da ist zum Einstieg das fast Hit-verdächtige „Enjoy“, das mit Kühns volltönendem und rasantem Klavierspiel, Bekkas einprägsam kehligen Gesang und dem heftig antreibenden Schlagzeug von Lopez eine derart eingängige Melodik umkreist (zweimal sogar von einem federnden Reggae artigen Rhythmus unterlegt), dass sich wohl mancher Popsong so eine Hookline wünschen würde. Es folgt das wundervoll lyrische und lockere, mit Tablas und Flamenco-Elementen angereicherte „Asmaa“, das Bekkas für seine gleichnamige Tochter schrieb.
Als Großmeister der Chromatik und genialer Verfeinerer seines selbst entwickelten harmonischen Modells („Diminished Augmented System“) ist Kühn wie bei einigen folgenden Stücken in „Back To Normal“ zu erleben. Das Geheimnisvolle, das Kühns Musik stets umgibt, steht bei „Play Golf In The Fresh Air“ im Mittelpunkt: Fast wie der Soundtrack zu einem Thriller klingt diese Uptempo-Nummer, und auch den Titel will Kühn nicht erklären: „Der soll ein Geheimnis der Band bleiben. Ich kann nur verraten, dass keiner von uns Golf spielt, dazu sind wir noch zu jung.“
Der Titeltrack „Chalaba“ ist das erste von zwei marokkanischen Traditionals, die Bekkas arrangiert und als Improvisationsgrundlage zur Verfügung gestellt hat. Vom meditativen Guembri-Solo schaukelt sich das Stück zu einer immer mitreißenderen musikalischen Klage auf - ein Paradebeispiel dafür, wie kreativ und intelligent dieses Trio mit Vorlagen aller Art umzugehen versteht. Für Kühn ist dieses Stück auch ein Beleg dafür, dass der Blues ursprünglich nicht aus Amerika stammt, sondern bereits in Marokko und Mali gespielt wurde, noch bevor die afrikanischen Sklaven nach Amerika kamen. „Hamdouchia“ wiederum ist ein rhythmusbetonter, wilder Kamelritt durch die Wüste, genau wie das abschließende „Mimoun Saadiyamou“. Auf „Soon In June“ greift Kühn wieder einmal zum Altsaxophon, seinem Zweitinstrument. „The Second Egg“ ist sein virtuos die Musikgeschichte von der Klassik bis zum Free Jazz einbindender pianistischer Beitrag zur vollendeten Gruppenimprovisation.
„Keiner muss sich in dieser Band verstellen“, fasst Kühn zusammen. „Ich fühle mich in dieser Kombination beim Improvisieren unheimlich frei, und das, obwohl in der Gnawa-Musik eigentlich nicht improvisiert wird, auch wenn es sich so anhört. Mir gibt das im Moment am meisten. In der Zukunft möchte ich die arabische und afrikanische Musik noch intensiver studieren. Sie ist so reich, das ist eigentlich eine Lebensaufgabe.“ Man wird also mit Sicherheit noch viel hören von Joachim Kühn, Ramon Lopez und Majid Bekkas. Dieser ungeplanten Band, die einfach funktioniert. (Pressetext)