Tigran: piano, vocals
Areni: vocals
Charles Altura: guitar
Sam Minaie: bass
Arthur Hnatek: drums
1987 im armenischen Gyumri geboren, wuchs Tigran Hamasyan in einem musikalischen Haushalt auf. Schon im Krabbelalter fühlte er sich magisch von Kassettenrekordern und dem Klavier seiner Eltern angezogen. Im Alter von drei Jahren klimperte er auf dem Klavier Songs von den Beatles, Louis Armstrong, Led Zeppelin, Deep Purple und Queen nach. Auf den Jazzgeschmack kam er später durch Aufnahmen aus Miles Davis’ Fusionperiode. Als er zehn Jahre alt war, zog seine Familie nach Jerewan um, wo er durch seinen neuen Klavierlehrer Vahag Hayrapetyan (der selbst ein Schüler von Barry Harris gewesen war) zahlreiche Jazzstandards kennenlernte.
Wenig später schrieb sich Tigran an einer Musikhochschule ein, um dort klassische Musik zu studieren, entwickelte sich aber parallel auch als Jazzpianist weiter. Seinen ersten großen Auftritt absolvierte er 1998 mit elf Jahren beim ersten Internationalen Jazzfestival in Jerewan. Auch bei der zweiten Auflage des Festivals im Jahr 2000 trat Tigran Hamasyan wieder auf. Dabei lernte er den französischen Jazzpianisten und Promoter Stéphane Kochoyan kennen, der ihn für Auftritte bei einigen europäischen Festivals buchte.
Als Tigran Hamasyan 16 Jahre alt war, zog die Familie nach Los Angeles, da seine Eltern ihm und seiner Schwester (die eine Malerin und Bildhauerin ist) bessere künstlerische Möglichkeiten bieten wollten. Zwei Monate lang besuchte Tigran dort die Highschool, bevor er an die University of Southern California wechselte, an der er zwei Jahre lang studierte. Schon bald gewann er eine Reihe von Klavierwettbewerben. Besonders erfolgreich war er 2006, als er beim Thelonious Monk International Jazz Piano Competition in Washington den ersten und beim Martial Solal International Jazz Competition in Paris den zweiten Platz belegte.
Zur selben Zeit knüpfte Tigran auch Kontakte zu in Los Angeles ansässigen Jazzmusikern wie Alphonso Johnson und Alan Pasqua. Außerdem begann er mit dem Saxophonisten Ben Wendel und Schlagzeuger Nate Wood aufzutreten. Beide spielen auch heute noch mit dem Pianisten, der bisher drei Alben aufgenommen hatte: “World Passion” (2006), “New Era” (2008) und “Red Hail/Aratta Rebirth” (2009). Mit “A Fable”legt der Pianist nun seinen neuesten Geniestreich vor. (Pressetext)
Einer wie Keith Jarrett
Selten seit dem “Köln Concert” war komplexe Musik so leicht verständlich: Der 23-jährige Tigran Hamasyan verschränkt Klassik, Jazz und Pop auf virtuose Weise.
Wenn Klassiklaien klassische Musik erklären wollen, dürfte das etwa so verständlich sein wie ein molekularbiologischer Diskurs des Landwirts mit seinem Milchvieh: Irgendwie betrifft es alle, irgendwie hat das Thema seine Relevanz, irgendwie muss man aber auch nicht wirklich alles bis ins letzte Detail analysieren.
Musik ist nicht gleich Milch. Deshalb ist hier die Herangehensweise ans Thema doch etwas angenehmer: Ob Laie oder Experte, man darf auch einfach bloß zuhören, eintauchen, wieder rausklettern und von Emotion, von Wirkung reden. Wie nach einem schönen Dinner, wo man auch nicht schon beim Kauen alles über Bestandteile, Herkunft oder Moral, geschweige denn die Funktionsweise des Verdauungstraktes wissen will.
Hören wir also Tigran Hamasyan zu, einem jungen, blutjungen, mehrfach preisgekrönten Pianisten, der auf seinem neuen, dem vierten Album A Fable Jazzmusik im klassischen Gewand darbietet. Seine Musik erreicht auch über ungeübte Ohren den Verstand, geht dann zu Herzen und verharrt dort eine ganze Weile.
Einfach zugehört, wie sich das minutenkurze Auftaktstück Rain Shadow noch seltsam dissonant ins soundtrackartige What The Waves Brought schwingt, als würde es knisternde Stummfilme und Jean-Pierre Jeunets Märchenwelten vertonen. Einfach zugehört, wenn die nervöse Verspieltheit in die bezaubernde Ruhe von The Spinners mündet, wenn die Beweglichkeit im nachfolgenden Illusion ausbleibt, um im flirrenden Samsara doch wieder durchzubrechen und wie ein instrumentales Streitgespräch im anschließenden Longing zu Orgelfetzen und zarten Drums sogar ein paar echte Worte anzunehmen.
Bis zum letzten der 13 Stücke schafft es Tigran Hamasyan, der sich nur beim Vornamen nennt, all den Stimmungen seiner Kompositionen eine sinfonische Konsistenz zu verleihen. So leidenschaftlich, so hingebungsvoll, als improvisiere er wie einst Keith Jarrett. Das aber unterscheidet die zwei Klaviervirtuosen: Während das legendäre Köln Concert 1975 aus dem Moment entstand, lässt der klangverwandte Tigran dem Augenblick keinerlei Raum. “Der Weg zum Lied ist immer Improvisation”, sagt der Armenier mit Wohnsitz New York. “Aber wenn ich es vortrage, ist die Struktur festgeschrieben.” Selbst im Konzert überlässt er nur wenig dem Zufall. “Ich bin Perfektionist.”
Ein Perfektionist von gerade mal 23 Jahren, dessen neues Album keinen seiner Einflüsse übermächtig werden lässt. Am Ende ist A Fable nicht Jazz, nicht Klassik, weder ein Soloalbum, noch ein reines Band-Projekt und trotz aller Overdubs und Samples noch lange kein Pop. Keine Zuordnungen also. Warum auch. “Welcher Jazzmusiker nennt sich schon Jazzmusiker?” fragt Tigran. Und so manches, was sich heute Klassik nennt, sei seinerzeit Pop gewesen. A Fable jedenfalls hat das Zeug zu einem Klassiker des Jazz. Denn selten seit Keith Jarretts Glanzzeit war komplexe Musik so leicht – und für Laien so verständlich. (Jan Freitag, Die Zeit)