Tun Sie etwas! (XXI)*
Markus Kupferblum
Todesmut und Zivilcourage
Künstler und Diktatur • Intuition und Zwang • Poesie und Realität
Die Gegensätze sind unüberwindlich und jeder Künstler, der in einer diktatorischen Gesellschaft lebt, muß für sich selbst einen Weg finden, mit oder ohne seiner Kunst zu überleben oder zu sterben.
Im Herbst kuratiere und inszeniere ich zahlreiche Projekte, die sich mit diesem Spannungsfeld beschäftigen.
Unsere Gruppe »Schlüterwerke« zeigt vom 1.10. bis 4.10. im Brick 5, Fünfhausgasse 5, 1150 Wien, ein Gastspiel des Bolivianischen Tariy Teatro mit dem Titel »Sterne ohne Himmel«. Es erzählt die Geschichte eines Wiener jüdischen Künstlers, der sich weigerte den Hitlergruß zu machen und 1941 in Steinhof von den Nazis ermordet wurde.
Gleich danach, ebenfalls im Brick 5, vom 10.10. bis 13.10. zeigen die Schlüterwerke eine Inszenierung von Mathias Spohr eine Paraphrase auf den Tonfilm »Die Drei von der Tankstelle«, der 1937 von den Nazis verboten wurde, obwohl Heinz Rühmann mitspielte, der sehr gut mit Joseph Goebbels befreundet war.
Im November kommt dann meine Inszenierung der Oper »Der Kaiser von Atlantis« von Viktor Ullmann nach Wien, die in New York City sehr erfolgreich gelaufen ist. Dieses Werk ist im Konzentrationslager Theresienstadt entstanden und gehört zu den zentralen Werken der »Entarteten Kunst«. Ullmann selbst wurde in Auschwitz ermordet und hat diese Oper nie gehört. Erst 1975 hat man die Partitur auf einem Dachboden in Amsterdam gefunden und dort uraufgeführt.
Es ist die Geschichte eines Harlekinos, der sich mit dem Tod verbündet um einen grausamen Diktator zu stürzen.
Im September bin ich selbst »Artist in Residence« in Teheran, einem Land, in dem viele Künstler großen Repressalien ausgesetzt sind.
Am heutigen Abend werde ich anhand von literarischen Beispielen, Tagebucheintragungen und musikalischen Einlagen über die unterschiedlichen Aspekte der gesellschaftlichen Unterdrückung räsonieren.
(Markus Kupferblum)
* Aus der Rede des ungarischen Dirigenten Ivan Fischer 2011 zum 9. November (Reichspogromnacht 1938):
(...) Lesen Sie die Hetzartikel? Sehen Sie die ultranationalistischen, fremdenfeindlichen und antiziganistischen Bewegungen, die europaweit zunehmen? Dann bitte ich Sie, endlich zu begreifen, dass in Europa nicht in erster Linie der Euro in Gefahr ist, sondern die Toleranz. Tun Sie etwas! Grenzen Sie sich von denen ab, die sich mit den Hetzern Kompromisse schließen und erschaffen Sie obligatorische Normen, die die Freiheit der BürgerInnen Europas garantieren!“ (...)
Aus den Aufzeichnungen (1992-1993) eines Elias Canetti:
(…) Bauern im südindischen Karnataka: Nach monatelangen fruchtlosen Protesten versammelten sie sich jetzt vor dem Parlamentsgebäude und lachten zwei Stunden lang die Regierung aus. 2000 Polizisten schauten tatenlos zu.
Eintritt: Pay as you wish an der Abendkassa bzw. 7,50.- € im VVK inkl. Sitzplatzreservierung