Mo 12. Mai 2014
20:30

Madeleine Peyroux (USA)

Madeleine Peyroux: vocals
Jon Herington: guitar
Barak Mori: bass

Madeleine Peyroux gehört zur Spitze jener Sängerinnen, die erfolgreich die Genres Folk, Singer-Songwriter und Jazz-Ballade verschmelzen. Jetzt lädt sie den Hörer ihres neuen Albums in einen "Blauen Raum", in dem eine ganz besondere Atmosphäre herrscht. Vielleicht ist dieser Raum eine Cocktail Bar? Die lässig-melancholischen Klänge, die ihr Star-Produzent Larry Klein auf den Leib schneiderte, passen auf jeden Fall hervorragend zu einem stilvollen Drink nach Sundown. Oder bedeutet "Blue" einmal mehr "traurig"? Peyroux's bluesgeschwängerte Vocals und die Song-Klassiker aus der Feder von Randy Newman, Leonard Cohen, Buddy Holly u. a. legen diese Vermutung nah.

Eines allerdings steht fest: die Sängerin mit der einzigartigen Stimme, die es schaffte von der Pariser Straßenmusikantin zum Weltstar aufzusteigen, legt hier einen modernen Albumklassiker vor. Inspiration für die besondere Mischung aus Jazz, Blues und Country-Nostalgie war das legendäre Album "Modern Sounds Of Country And Western Music" von Ray Charles. Allerdings leiht sich Peyroux von diesem Meilenstein lediglich die Stimmung und unsterbliche Songs wie "Bye Bye Love" und "I Can"t Stop Loving You", prägt aber allem ihren ganz eigenen Stempel auf. Hereingetreten also in Madeleine Peyroux" "Blue Room"! (Pressetext)

Die US-Sängerin Madeleine Peyroux im Interview über ihr neues Album mit Coverversionen u.a. von Ray-Charles-Songs, störrische Lieder und wie man in Brooklyn Country-Musik lieben lernt.

Madeleine Peyroux, die empfindsame Interpretin, die damit begonnen hatte, eigene Lieder zu schreiben, kehrt auf ihrem Album „Blue Room“ zur Kunst der hingebungsvollen Coverversion zurück. Im Fokus steht Ray Charles' epochales Album „Modern Sounds in Country & Western Music“, mit dem zum ersten Mal die Fusion von Blues und Country vollzogen wurde. Peyroux wählte vier Songs aus diesem Klassiker und reicht dazu Delikatessen aus den Werkstätten von Leonard Cohen, Warren Zevon und Randy Newman. Produziert hat Larry Klein, der Ex-Gatte von Joni Mitchell. Angesichts der Güte des Albums kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Amerikanerin als Interpretin mehr zu sagen hat als als Komponistin.

Wie erinnern Sie sich an Ihr erstes Ray-Charles-Hörerlebnis?

Madeleine Peyroux: Uh, das ist schwer. Was ich noch weiß, ist, dass ich in meiner Zeit als Straßenmusikerin in Frankreich genau dieses Album in einem Fernzug nach Lyon gehört und über die Arrangements gestaunt habe. Freunde gaben mir immer wieder Kassetten von ihm. Es war die Walkman-Zeit. Mein Eindruck von damals gilt immer noch: Es zählt zu den am besten aufgenommen Pop-Platten aller Zeiten.

Was ist das Besondere an „Modern Sounds in Country & Western Music“?

Neben den großen Qualitäten von Ray Charles' Gesang sind es die Arrangements, die sich einprägen. Charles hat zwar Marty Paich für die Geigen und Chorgesänge engagiert, behielt aber die künstlerische Kontrolle über jeden Ton. Viele meiner Freunde, eingeschworene Jazzfans, konnten keinen Zugang dazu finden. Das hat mich amüsiert.

Der legendäre Vince Mendoza hat auf Ihrem Album arrangiert. Haben Sie sich da auch verstärkt eingebracht?

Nein, weil die Idee von meinem Produzenten Larry Klein stammt. Wir haben intensive Gespräche geführt, welches Klangbild für meine Interpretationen optimal wäre. Als klar wurde, dass wir Streicher engagieren werden, brachte Larry seinen Freund Vince Mendoza ins Spiel. Das war mir nur recht, er ist für seine Sensibilität bekannt.

Sie wuchsen in Brooklyn auf, wie kam da Country-Musik in Ihr Leben?

Mein Vater war aus New Orleans und lebte lange Zeit in Texarcana. Durch ihn hörte ich von Kindesbeinen an viel Hank Williams, Buddy Holly, Fats Waller und Fats Domino, also nicht nur Country, sondern diese ganze Mixtur des amerikanischen Südens.

Sie haben auf „Blue Room“ auch Lieder hinzugenommen, die nichts mit Ray Charles zu tun haben. Wie haben Sie ausgewählt?

Die Idee von Ray Charles war es ja, zwei Kulturen miteinander zu verbinden. Die Lieder, die er 1962 sang, waren schon eine Generation alt. Sie stammten fast alle aus den Dreißigerjahren. Ich dachte, dass in unserem Fall gut wäre, wenn wir das Repertoire für Lieder erweitern, die nach 1962 geschrieben wurden. Bei „Bird on the Wire“ oder „Guilty“ waren Larry und ich uns einig, andere kannte ich vorher nicht wie etwa „Desperados under the Eaves“ von Warren Zevon. Alle haben jedenfalls ein unterschwelliges Country-Feeling.

Was verstehen Sie unter Country-Feeling?

Nun, dass es in erster Linie um Einsamkeit geht. Man ist alleine in der Wildnis, ist nicht Teil der städtischen Gemeinschaft und muss sehen, wie man überlebt. Man ist eine Art Pionier mit allen dazugehörigen Risiken. Das prägt. Diese Leute haben deshalb auch ihre ganz eigenen, sehr monologischen Songs geschrieben. Der Spirit dieser Lieder weist Ähnlichkeiten zum Blues auf, entstammt jedoch einer anderen Kultur. Wie im Blues ist beim Country zu erkennen, dass ein guter Teil des Tragischen dem Menschen wesensimmanent ist. Diese Musik ermöglicht uns den Zugang zu den weicheren Seiten.

Abermals haben Sie eine Leonard-Cohen-Komposition mit Ihrer Stimme veredelt. Was reizt Sie an seinen Liedern?

Er versteht sich auf einen Minimalismus, der Staunen macht. Seine Melodien sind erstaunlich zugänglich. Vor langer Zeit habe ich ihn sogar getroffen. Er ist ein sehr eindrucksvoller Mensch und Performer. Der Mann lebte so viele Leben. Er war Folkie, Rock'n'Roller, sogar Buddhist. Er ist einer der wenigen wirklichen Poeten der Popmusik.

Bereiten Sie Studiotermine mit Produzent Larry Klein vor oder regiert Spontanität?

Beides. Bei Larry und mir kann es sein, dass ich mich dann zwanzig-, dreißigmal durch so einen Song singe. Wir nehmen uns viel Zeit für die Subtilitäten. Fürs Experimentieren muss Zeit sein. Es braucht manchmal Geduld, bis man einen neuen Zugang findet.

„Gentle of my Mind“ haben Sie wunderbar verlangsamt. Was war die Idee dahinter?

Der Eindruck der Verlangsamung ist eine Art klangliche Fata Morgana. Vom Rhythmus her haben wir es nämlich flott gelassen, bloß durch das Arrangement hat der Song plötzlich viel Raum, der vorher nicht war. Es war eine gute Gelegenheit, das Jazzphrasing zu erkunden, und ein wenig so, wie Miles Davis predigte: Spiel die Melodie so, als ob du keine Melodie spielen würdest.

Hat sich ein Song gegen Ihre Interpretation gewehrt?

Das ist eine schöne Vorstellung. Es war Cohens „Bird on the Wire“. Ich glaube, ich wäre enttäuscht gewesen, wenn es einfach gewesen wäre, dieses Lied zu singen. Es ist am Ende immer lohnend, sich um die schwierigen Kinder zu bemühen. Am Ende liebt man die widerspenstigen Lieder am meisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2013)