Sa 24. Januar 2015
20:30
Portrait James Blood Ulmer

James Blood Ulmer 'Harmolodic Guitar with Strings' (USA/AUS/A)

James Blood Ulmer: guitar

Koehne Quartet
Joanna Lewis: violin
Anne Harvey-Nagl: violin
Petra Ackermann: viola
Melissa Coleman: cello

Der harmolodisch spielende Gitarrist James Blood Ulmer erweitert sein musikalisches Vokabular um ein Streichquartett, mit dem er seine ersten notierten harmolodischen Kompositionen präsentiert. Es handelt sich allerdings nicht um ein klassisches Streichquartett und auch nicht um eine Jazzband, sondern ebenfalls um ein harmolodisches Ensemble. Das von Ornette Coleman entwickelte und sodann von Ulmer adaptierte System der „Harmolodie“ ist kurz gesagt eine Methode, mit der die Gleichberechtigung aller Ensemblemitglieder innerhalb eines Stücks erreicht wird, wie es auch um die Aufhebung jeder tonalen, melodischen oder rhythmischen Hierarchie geht. Die Rolle des Streichquartetts wird somit nicht auf die Funktion der reinen Begleitung reduziert. Ulmers Kompositionen reichen von mehrsätzigen Werken bis hin zu einer vollständigen Rekonstruktion von „Tales of Captain Black“. Vor allem die längeren Stücke sind besonders interessant, zum Beispiel „Arena“, das in sechs Abschnitte gegliedert ist. Ulmers Umgang mit den zwölf Tönen der Skala sind hier keine Grenzen gesetzt. Das Quartett reagiert laut Partitur und harmolodisch-kompositorischen Vorgaben mit einer Reihe diatonischer Intervalle innerhalb eines melodischen Rahmens, der eine tonale Basis schafft und an dem auch in den Passagen mit verschiedenen Tempo- und Rhythmuswechseln festgehalten wird. Ulmers Interaktion mit dem Streichquartett lässt ihn zum einem fünften Mitglied werden, das sich auf ein musikalisches Stichwort hin in den melodisch-harmonischen Duktus einmischt. Sein Stil ist sein Markenzeichen – unverwechselbar durch die schroffe Chunk-and-Funk-Phrasierung, die aber hier sehr zurückgenommen, dafür wunderbar strukturiert ist. Die dynamische Bandbreite reicht von getragen und feierlich über dramatisch bewegt bis hin zu ätherisch schimmernder Glückseligkeit. In „Page One“ wiederum wird eine Phrase aus dem ersten Streichquartett von Skrjabin umgekehrt und als Eröffnungsthema präsentiert. Während es von den Streichern sequenziert, variiert und fortgesponnen wird, steigt Ulmer zögernd ein, spielt einzelne Noten, denen er viel Raum zur Entfaltung gibt. Der nächste Satz basiert auf einer Progression, die aus allen zwölf Töne der Skala besteht und mit denen er einen harmolodischen Kontrapunkt setzt. Ein schaurig-schöner Effekt, wie die CD überhaupt manche Überraschung sowie lange Passagen voll atemberaubender Schönheit bereithält. Ulmers Musik und kompositorischer Ansatz stehen den Werken der innovativsten modernen Komponisten und Komponistinnen in nichts nach. Es kann schon sein, dass seine Methodik und sein musikalisches System anders gelagert und nicht am akademischem Disput über Harmonie und Rhythmus interessiert sind. Aber das ist okay. Vor langer Zeit hat er nämlich Folgendes gelernt: Wenn dir nicht gefällt, wie etwas dem musikalischen Kanon entsprechend funktioniert, musst du dir nur dein eigenes musikalisches System kreieren. Im Hinblick auf die so beseelte wie bestechende Musikalität, die hier zum Ausdruck kommt, kann ihm die (europäische) akademische Welt nicht das Wasser reichen. (Thom Jurek)

Eintritt: 28.- € Sitzplatz, 20.- € Stehplatz