Cyrus Chestnut: piano
Mads Vinding: bass
Jonathan Blake: drums
Liest man vor dem ersten Hören den Booklet-Text, den Cyrus Chestnut für seine neue CD verfasst hat, so erwartet man eine krause Collage verschiedenster Einflüsse und Stile, die nur schwer zusammenpassen wollen. Der Pianist kündigt Zutaten aus Gospel, Pop, Swing, Barock, Impressionismus und Latin an und scheint sich fast für die Vielfalt zu entschuldigen, die er auf Genuine Chestnut verarbeitet und die, so schreibt er, sicherlich dem einen oder anderen exzentrisch vorkommen werde. Beim Hören stellt man schnell fest, dass seine Sorge völlig unbegründet ist. Sicherlich klingt die neue CD weniger konventionell als ihre Vorgänger, doch in einer Zeit, in der Jazzmusiker völlig selbstverständlich Radiohead, Black Sabbath oder Björk covern, wirkt es etwas weltfremd, wie Chestnut die eigene Vielseitigkeit betont.
Was zunächst tatsächlich überrascht, ist die Zurückhaltung, mit der er die Aufnahme beginnt. Bei »The Brown Soldier«, dem Eröffnungsstück, mag man kaum glauben, dass man sich hier auf einer Pianisten-CD befindet. Chestnut überlässt seinem Gast Russel Malone an der Gitarre so bereitwillig das Feld, dass er fast wie ein Sideman auf der eigenen Aufnahme wirkt. Einen weiteren starken Auftritt hat Malone später beim alten Bread-Rührstück »If«, das einst schon Perry Como und Telly Savalas zu erfolgreichen Gesangsversionen inspiriert hat. Hier zeigt der Pianist sein nicht zu leugnendes Talent für geschmackvolle Balladen, das im weiteren Verlauf der Platte eine nachdenkliche Version von Ewan MacColls Liebeslied »The First Time Ever I Saw Your Face« zu einem der Höhepunkte macht. Dass er nicht nur mit feinnervigem Anschlag zu überzeugen weiß, sondern auch in schnellen Tempi nicht ins Schleudern kommt, beweist der 43-jährige Pianist im swingenden »Mason Dixon Line«. Häufig, besonders bei den Latin-Ausflügen, verstärkt er sein Trio mit dem Perkussionisten Steven Kroon, der einfallsreich für zusätzliche Farben sorgt. Mit dem besinnlich sanften Pianosolo »Lord, I Give Myself to You« endet die CD schließlich auf einem weiteren Höhepunkt. Cyrus Chestnut präsentiert eine Musik, die abwechslungsreich, aber nie verstörend, überladen oder gar überspannt ist. Mit der übertragenen Bedeutung seines Namens (chestnut = olle Kamelle) hat seine Musik jedenfalls nichts zu tun. Auch wenn die – bei Telarc-CDs schon gewohnt unattraktive – Cover-Gestaltung in ihrer Biederkeit anderes befürchten lässt. (Guido Diesing, Jazzthetik, 2006)
Cyrus Chestnut, 1963 in Baltimore geboren, erhielt bereits mit fünf Jahren seine erste Klavierausbildung von seinem Vater und spielte im Alter von sieben Jahren Klavier in der Mount Calvary Star Baptist Church seiner Heimatstadt. Mit neun Jahren besuchte er das Peabody Institute und studierte von 1981 bis 1985 am Berklee Institute of Music in Boston, wo er in Jazzkomposition und Arrangement abschloss. Dort erhielt er das Oscar Peterson Stipendium 1983, und das Quincy Jones Stipendium 1984. Er brachte sich Musikgeschichte bei, studierte die Arbeiten von Jazz-Meisterpianisten wie Bud Powell, Wynton Kelly und Hank Jones, und die Arbeiten von Gospelkünstlern wie Clara Ward und Charles Taylor. Ferner studierte er klassische Musik, Komposition und Aufführungspraxis. Cyrus arbeitete als Sideman mit Donald Harrison, Terence Blanchard, Wynton Marsalis, Freddie Hubbard, Branford Marsalis, Chick Corea, Dizzy Gillespie, George Adams, James Moody, Joe Hendricks, Joe Williams. Seit Anfang der 1990er Jahre veröffentlicht er als Bandleader und Solist Alben wie "Tribute To Duke Ellington", "Charlie Brown Christmas", "Soul Food", "You Are My Sunshine", "Cyrus Plays Elvis", "Black Nile" – um einige zu nennen. Für diese CD-Projekte arbeitete er mit Christian McBride, James Carter, Joe Lovano, Ron Carter, Billy Higgins, Stefon Harris, und Lewis Nash. Daneben trat er in Gruppen wie dem Lincoln Center Jazz Orchestra, der Dizzy Gillespie Big Band und dem Carnegie Hall Jazz Orchestra auf, und wirkte in Robert Altmans Film "Kansas City" mit. Cyrus hat sich einen Ruf erarbeitet für seine durchdachte Vielseitigkeit, seine Fähigkeit, Klänge zu überblenden und unerschrocken Gospel in die Aufführungen zu bringen. Der
"Philadelphia Inquirer" erklärt: Chestnut vermittelt mehr Freude an einer einzelnen Note als es andere Pianisten mit Händevoll von Akkorden tun. 1991 erhielt Chestnut die Chance, mit dem Betty Carter Trio für zwei Jahre auf Tournee zu gehen. Er bezeichnet das als eine Art Abschlussklasse. "Sie erwartete von mir einen Raum für Schöpfung zu schaffen, nicht zur Entspannung". 1995 nahm Chestnut mit der Opernsängerin Kathleen Battle auf. (Pressetext)
Eintritt: 28.- € Sitzplatz, 20.- € Stehplatz