Mi 4. November 2015
20:30

Wadada Leo Smith (USA)

Wadada Leo Smith: trumpet, electronics
Solo-concert with visual projection

Die Intimität auf der Bühne, ein vital wirkender Mann älteren Semesters mit seiner Trompete vor einer weißen Leinwand, wurde auf ernüchternde Weise vom Publikumszuspruch reflektiert. Derweilen stand Leo Smith da oben. Eine der zentralen Avantgardefiguren der Chicagoer „Creative Music“-Szene rund um den Kreativpool AACM. Er entwarf einen verquer sinnlichen, konkreten Erzählfluss anhand einiger energischer Dramolette. Diese formten sich, auf Basis von Tönen die in ihrer Tonhöhe und Tondauer indeterminiert waren, ebenso zu Legato- wie Stakkatoabläufen. Das Ambiente des Monologes verstrahlte eine Sprödigkeit und Brüchigkeit, was häufig Zerissenheit zur Folge hatte. Demzufolge staute sich der Klangfluss auf und verlor des öfteren seine innere Spannkraft. Dennoch, die Substanz des Gespielten und die Strahlkraft von Smiths Ton glichen vieles aus. Mit beeindruckender Schonungslosigkeit und Konsequenz legte der Trompeter seine Gefühle offen – die Nacktheit und Verletzlichkeit der künstlerischen Seele. Die teils begleitenden Visuals waren keine wirklich erhellende Zutat, ebenso wie der einmalige kurze elektronische Klangexkurs, der einem Science Fiktion Film-Gezirpe ähnelte.
Summa summarum: zwingende Erzählkunst. (Hannes Schweiger)

Equally heavy, though much more rewarding, was the solo trumpet set by Wadada Leo Smith. The sound was extremely minimal and quiet. Throughout, Smith looked as cool as a beatific university professor and as concentrated as a star cluster. He has such a commanding mastery of delicate forms that the organic waves of sound he created turned everyone's heads inside out. During his two sets, the big room took on the feel of a religious retreat, and rivers of karmic goodness flowed like the purest honey. (The Wire)
Der Trompeter, Komponist und Musikwissenschafter Wadada Leo Smith verfügt über eine der individuellsten Trompetenstimmen der amerikanischen Jazz-Avantgarde. Neben Lester Bowie gilt er als wichtigster Trompeter der Chicago-Avantgarde und gewissermaßen als deren Poet. Für sein Werk „Ten Freedom Summers“ erhielt er 2013 den renommierten Pulitzerpreis. Hier versammelt er 21 Kompositionen, die zentralen Ereignissen des amerikanischen Civil Rights Movement gewidmet sind. In Smith's Gedankenwelt nehmen Freiheit und die Rechte des Einzelnen eine fundamentale Stellung ein. Jahrelang trug er eine Ausgabe der Verfassung der USA bei sich. Smith, der seine Musik im Anschluss an die AACM nicht „free jazz“, sondern „creative music“ nennt, entwickelte ein symbolisches Notationsverfahren, Ankhrasmation, in dem Komposition und Improvisation verschmelzen. Nach einem vielumjubelten Konzert mit seinem Golden Quartet (u.a. mit Ronald Shannon Jackson) im April 2005 gibt Ishmael Wadada Leo Smith eine interessante Solo-Performance mit Videoprojektionen. Great Black Music! (Pressetext)