Do 24. März 2016
20:30

Bettye LaVette (USA)

Bettye LaVette: vocals
Alan Hill: keyboards
Brett Lucas: guitar
James Simonson: bass
Darryl Pierce: drums

Das Wimmern eines Keyboards, bei aller Sanftheit bedrohlich, geleitete in die Tragödie. Die zierliche Person in der Bühnenmitte proklamierte noch rasch: "Joe schrieb diesen Song, ich aber singe ihn viel, viel besser" - und man war mitten drin, im bitteren Bekenntnis einer verfahrenen Liebe. Bettye LaVette zelebrierte mit Gift und Weisheit jede Nuance des von Joe Simon zu Beginn der Siebziger komponierten "Your Time To Cry". Ihr raues Organ, dessen bitterer Grundton im weiblichen Soulgesang einzigartig ist, geriet in Glut, brach dazwischen unvermittelt ab, als hätte das harte Leben Kerben in ihren Stimmbändern hinterlassen.

Stolz und Verzweiflung liegen in dieser Stimme nahe beieinander, überlagern sich zuweilen. Dazu kam LaVettes beredte Gestikulation, die die Spannung ins schier Unerträgliche steigerte, ehe sie bebender Stimme das Drama auflöste. Ausweg aus der Liebeshölle? Feuer mit Feuer bekämpfen. Ergo wurde dem, der so viel Leiden verursachte, ein emotionales Brandmal gesetzt: Mit dem lapidaren "Now it's your turn to cry" fiel die Tür letztlich von außen zu.

Nach einem Blitzstart vor fast 44 Jahren, als sie mit 16 bereits fürs renommierte Label Atlantic aufnahm, wurde LaVettes Karriere zum Hindernisparcours. Seit wenigen Jahren öffnen sich endlich die Türen für sie. 2003 der W.C.-Handy-Award für das famose Album "A Woman Like Me", nun ein Cross-over-Erfolg mit "I've Got My Own Hell To Raise". Im Gespräch mit der "Presse" blickt sie zurück: "Meine Karriere war wie eine Beziehung mit einem Mann, der einen immer dann schlägt, wenn man es am wenigsten erwartet. Ich habe auch selbst viele Fehler begangen. Etwa, dass ich nach dem Tod meines Managers unbedingt weg von Atlantic wollte, aus mir bis heute rätselhaften Motiven. Dann floppte mein Motown-Album wegen Umstrukturierungen in der Firma. Dann schenkte ich einem jungen Mann die Tantiemen für "Doing The Best I Can", aus dem er einen Disco-Hit gemacht hatte. Man weiß ja nie, was aus Liedern wird. Gerade dieses wurde ein Hit, der Bursche baute sich das Label "Profile" damit auf. Meine größte Niederlage aber war mein in Muscle Shoals aufgenommenes, von Brad Shapiro produziertes Album ,Child Of The Seventies', unter anderem mit ,Your Time To Cry'. Atlantic veröffentlichte es ohne Angaben von Gründen nicht. Hätten sie mir nur gesagt, dass sie mich nicht mögen! Darauf hätte ich wenigstens reagieren können. So aber versank ich für vier Tage und Nächte unter dem Küchentisch. Alles, was ich dort tat, war weinen und Wein trinken."

All diese bitteren Erfahrungen bringt die gerade frisch verheiratete Soul-Veteranin auf die Bühne. In den ersten Reihen standen ausschließlich junge Frauen, blickten empor zu dieser emotionalen Titanin, wogen sich im bekenntnishaften "He Made A Woman Out Of Me", staunten über LaVettes jäh hereinbrechenden Furor, wenn es um den Anspruch auf Glück ging, etwa in Lucinda Williams' "Joy", nahmen gerne Rat von der Älteren entgegen, wenn sie im angerockten Dolly-Parton-Song "Sparrow" sang: "All my Sisters, listen to me, never trust the heart of a man."

Deep-Soul à la "Close As I'll Get To Heaven", rüder Blues, zarten Songperlen wie "Just Say So" . . . Das Programm endete in stürmischem Beifall a cappella mit dem bekenntnishaften "I Do Not Want What I Haven't Got". Eine kleine Ausnahme von der abgeklärten Genügsamkeit gesteht LaVette freilich: "Jetzt will ich endlich ein wenig Geld verdienen. Das wäre einfach schön." (Samir H. Köck, 2005)

Eintritt: 35.- € Sitzplatz, 28.- € Stehplatz