Mo 18. April 2016
20:30

Jamie Woon (GB)

Jamie Woon: guitar, vocals, electronics

„A minute to learn, a lifetime to master“, sagen klugen Köpfe gern über den Bass, der in herkömmlicher Popmusik eher ein Schattendasein fristet. Über Disco, Funk, Dub und Drum'n'Bass eroberte er sich dennoch die Tanzflächen dieser Welt. Er tönt gelassen und viril und macht das Wackeln, Schubsen und Schwingen überhaupt erst möglich. Das vielleicht Tollste an ihm ist, dass er auch in ruhigen Szenarien starke sinnliche Wirkung entfaltet. Bei Jamie Woons delikater Mischung aus Dubstep und Soul ist er einfach „deep, dark & sexy“.

Der bald 33-jährige Brite, Sohn der schottischen Folklegende Mae McKenna, fiel nach seinem blendenden Debüt „Mirrorwriting“ (2011) sympathischerweise gleich in eine Sinnkrise. Er funktioniert nicht so, wie sich das Majorlabels wünschen. Und er ist das, was einst Van Morrison über sich selbst gesagt hat: „an introvert in an extrovert business“. Nach vier Jahren des Grübelns präsentierte er vergangenen Herbst doch noch sein zweites Album „Making Time“. Inspiriert vom vertrackten Soul des Amerikaners D'Angelo lockt Woon nun in gestylterem Soundkleid in die dunkle Welt seiner Fantasien.

Unwiderstehlich weiche Melodien

Seine Premiere im prall gefüllten WUK startete er mit bedrohlichen Subbässen und garstigen Keyboardsounds. „Blue Truth“ hieß der Song, der sich auf keinem seiner beiden Alben findet. Er ist ein Manifest der Wiedererstarkung, den Woon allerdings schon vor seiner Schaffenskrise komponiert hat. „Come on man, collect yourself, sing a song with a different tune“, formulierte er da zwischen sphärischen Sounds und dem vitalen Heulen seiner beiden afrobritischen Kosänger. Seine unwiderstehlich weichen Melodien entfalten ihre optimale Wirkung nächtens. Kein Wunder, dass er der Nacht einst eine Ode gewidmet hat. Woon kommt in der schwarzen Luft erst wirklich zu Bewusstsein. Jubel brandete auf, als das berühmte Keyboardmotiv von „Night Air“ ertönte. Woon kostete die mysteriöse Atmosphäre aus, ohne auf seine Forderung zu vergessen: „Space to breathe and time to savor, all that night air has to lend me, till the morning makes me angry.“

Mit unbeirrbarer Sanftheit navigierte er zwischen böllernden Beats und den Abgründen gefährlich gähnender Stille. Ab und zu schnallte er sich eine akustische Gitarre um und verwöhnte mit außergewöhnlichen Akkorden. Woon liebt Klangexperimente, verliert sich aber nie in ihnen. Die ausgefeilte Struktur seiner Songs hält auch, wenn alles Fleisch von ihnen abgefallen ist. Das zeigte das fragile „Skin“ anschaulich. Im intimen Setting von Gitarre und Harmoniegesang lobte Woon jene paradoxe Kraft, die aus bewusster Schwäche erwachsen kann. Er nutzte die empfängliche Stimmung im Saal für ein weiteres akustisches Gustostückerl, das mit wunderlich perlendem Piano aufgewertete „Little Wonder“. Bei „Dedication“ regierte wieder ein markanter Basslauf. Diese Sorte sorgfältig designter Zeitlupengrooves lockte in eine Art Hypnose, in der sich die ein wenig rätselhaften Texte besser genießen ließen.

„Shoulda“ war ein gutes Beispiel für jene Art von Songs, bei denen unter glänzender Oberfläche Ungemach lauerte. Auf die Gipfel erotischen Begehrens führte „Sharpness“, eines der wenigen seiner Lieder, das ohne Ambivalenzen auskommt. Kurz und bündig hieß es hier: „Come back, body's aching.“ Das ebenfalls lebensbejahende „Celebration“ litt ein wenig darunter, dass die Bläser nur aus den Keyboards kamen. Als Zugabe kam eine gegen den Strich gebürstete Neufassung des Ohrwurms „Lady Luck“. Dann badete er im brausenden Schlussapplaus. Jamie Woon kommt bald wieder. Am 18. April kann man ihn im Porgy & Bess bewundern. (Samir H. Köck, Die Presse, Print-Ausgabe, 01.02.2016)

Eintritt: 23.- € VVK, 29.- € AK Stehplatz, 29.- € VVK, 35.- € AK Sitzplatz auf der Galerie, 10.- € Ermäßigung für MemberCard-Inhaber
Eine Veranstaltung von Skalar Entertainment