Sa 5. November 2016
20:30

John Zorn Bagatelles-Marathon Part 1 (USA)

Masada
John Zorn: alto saxophone
Dave Douglas: trumpet
Greg Cohen: bass
Joey Baron: drums
The classic quartet itself!

Gyan Riley & Julian Lage
Gyan Riley: guitar
Julian Lage: guitar
Delicate guitar duo that sets the standard for what the bagatelles is all about

The Nova Quartet
John Medeski: piano
Kenny Wollesen: vibraphone
Trevor Dunn: bass
Joey Baron: drums
The modern jazz quartet on acid!

Sylvie Courvoisier & Mark Feldman
Mark Feldman: violin
Sylvie Courvoisier: piano
A spectacular classical violin recital

Trigger
Will Greene: guitar
Simon Hanes: bass
Aaron Edgcomb: drums
3 young 20-something punks rock the house

Die beglückende Leichtigkeit der Komplexität

Manchmal fügen sich die Umstände wie von geheimnisvollen Energien gelenkt. So geschehen im Bezug auf das Gastspiel des Ausnahmemusikers John Zorn mit seiner Werkschau im „Jazzclub exzeptionell“. Alleine deshalb stellen diese beiden Abende schon etwas Außergewöhnliches dar, da Zorn schon seit langem von Club-Konzerten Abstand genommen hat. Nachdem also der Veranstalter in Mailand das Konzert stornierte, sprang nach Anfrage ohne lange Überlegung, wiewohl schon seit einiger Zeit Kontakt zu John Zorn besteht, Porgy-Mastermind Christoph Huber in die Presche und offerierte seine Zusage die beiden Abende auf die Bühne des Clubs zu bringen. Dem Vernehmen nach wurde dies wohlwollend angenommen. Folglich leistete das gesamte Porgy-Team angesichts der Kurzfristigkeit und des enormen Aufwandes, fünf Acts pro Abend, 25 MusikerInnen und, und, und Außerordentliches.
Zorn, der in den 1980er Jahren in der aufkeimenden New Yorker Noise Music-Szene groß wurde und sich binnen kürzester Zeit als deren Gallionsfigur respektive hyperaktiver Katalysator etablierte, empfahl sich mit seinen visionären wie radikalen Klangvorstellungen, die nach einem cut-and-paste Prinzip, speziell Filmmusik hat diesbezüglich prägende Spuren hinterlassen, in pluralistischer Herangehensweise funktionieren und sich in einem „High Speed Soundnet“ verdichten, als quasi letzter herausragender Innovator im Jazzumfeld des letzten Drittels des 20.Jahrhunderts. Obschon, wie im Folgenden bewiesen, sich Zorn kein Stiletikett umhängen lässt. Zu obsessiv ist sein Interesse an der Musik und eben des letzten Jahrhunderts, mit all seinen stilistischen Schattierungen, im speziellen. Zorn hat als Komponist eine Art „Ganzheitsmusik“ entwickelt, in der seine Fähigkeit sich jedweder Stilistik, ob nun Blues, Jazz, Rock, Neue Musik (in diversesten avancierten Ausformungen), Ambiente, Elektronik oder Sonstiges annehmen und mit eigener Handschrift ausführen zu können, legitimiert ist. Zudem ist er zu einem begnadeten Improvisator bzw. originellen Altsaxophonisten gereift, für den die Textur, das Timbre, blitzschnelle Brüche eine bevorzugte Stellung einnehmen.
In seinen Bagatellen, die bei diesem aktuellen Projekt im Mittelpunkt stehen, verdichten sich erneut all diese zornschen Eigenheiten zu fabulösen, hochkomplexen Kleinoden. Zorn hat aus seiner 300 Stücke umfassenden Bagatellensammlung ausgewählt und sie zehn Ensembles und einem Überraschungsgast überantwortet. Fünf Ensembles pro Abend, jedem waren ca. zwanzig Minuten Spielzeit zugedacht, setzten die komprimierten „Zornausbrüche“ in Szene. Zwischen den einzelnen Sets, in perfekt organisiertem Ablauf, fungierte Zorn als charmanter, strahlender MC. Opener des ersten Abends war der Meister selbst mit seinem schon legendären Quartett MASADA (Zorn-as, Dave Douglas-tp, Greg Cohen-b, Joey Baron-dr). Peitschende Up-Tempo Sequenzen in einem schräg gestellten Neo-Bop Raster verankert, gespickt mit bravourösen, hitzigen Soli, atemberaubenden Bläser-Tutti und verwinkelten Unisono-Passagen, reihten sich eine an die andere. Der Funke war gezündet. Die beiden stupenden Gitarristen GYAN RILEY(Sohn der Minimal Music-Ikone Terry Riley) und JULIAN LAGE realisierten auf ihren akustischen Instrumenten filigrane Netzwerke, in die klassische, folkloristische, jazztraditionelle Klangeindrücke eingewoben waren. Irisierende poetische Silhouetten waren das Ergebnis. THE NOVA QUARTET (John Medeski-p, Kenny Wollesen-vibes, Trevor Dunn-b, Joey Baron-dr) in der Ankündigung so treffend als „Modern Jazz Quartet on Acid“ angekündigt, blieben der Ankündigung nichts schuldig. Die Stücke waren in komplexe Arrangements verpackt und großteils ebenfalls in höllischem Tempo, welches in Händen und Füßen des großartigen Baron lag, zu spielen. Die musikalische Bezugsquelle war der Hard Bop, auf zornsche Weise transformiert. Bravourös und mit rauschhaftem Spielwitz, herausragend Wollesen am Vibraphon, schritten die Musiker zur kongenialen Umsetzung. Ein wahres kammermusikalisches Kleinod mit funkelndem Feinschliff, diesmal im Moderato angesiedelt, durchzogen von kristallinen Geweben, verschachtelt und gegenläufig angeordnet , entließen in einzigartiger Korrespondenz SYLVIE COURVOISIER (p) und MARK FELDMAN(v) in den Äther. Den vermeintlichen Schlusspunkt setzte die aus drei energiestrotzenden Twens formierte Avantrock-Band TRIGGER (Will Greene-g, Simon Hanes-b, Aaron Edgcomb-dr). Dieser Impulsivität und Leidenschaft geschuldet konstruierte Zorn eine brachial dahinpreschende, vertrackt verlaufende, mit bestimmendem rüden Rockappeal angereicherte Textur. Bis an die Ränder der Tonalität gedehnt, immer wieder mit Noiseattacken aufgebrochen. Mit unglaublich hohem instrumentaltechnischen Können und einer Entspanntheit sondergleichen rasten die Boys durch die diffizilen Stücke, bei denen man den Finger immer am Abzug haben muss. Das Adrenalin war am Anschlag und dann die Überraschung. Die letztendliche Schlusskadenz perlte aus den geschmeidig dahingleitenden Fingern des großartigen Pianisten CRAIG TABORN. Er vertonte in einem Piano-Recital sinnhaft ineinandergreifende lyrische Arpeggien und melodische Schlichtheit mit aufbrausenden Clusterhäufungen. Das mündete zum schlüssigen Ausklang des Abends in eine stoische Klangfläche die Räume öffnete. (...) (Hannes Schweiger)