Mo 1. Januar 2001
21:00
New Year's Special

Vienna Art Orchestra 'All That Strauss & Duke Ellington's Sound Of Love'

Thorsten Benkenstein, Matthieu Michel, Bumi Fian, Thomas Gansch: trumpets
Klaus Dickbauer, Florian Bramböck, Andy Scherrer, Herwig Gradischnig, Harry Sokal, Heinrich von Kalnein: reeds
Robert Bachner, Ed Partyka, Christian Radovan: trombones
Arkady Shilkloper: french horn
Alegre Corrêa: guitar
Georg Breinschmid: bass
Ingrid Oberkanins: percussion
Mario Gonzi: drums
Anna Lauvergnac: vocals
mathias rüegg: leader
Guests: Wolfgang Puschnig, Bertl Mayer, Rudi Berger
Ronald Matky: sound
Reto Schubiger: light

Teil 1:
All That Strauss: Lagunen-Walzer; Die Libelle; Liebeslieder-Walzer; Albion-Polka; Ein Morgen, ein Mittag, ein Abend in Wien; Process-Polka; Mit Extrapost; Wein, Weib und Gesang; Gruß an Prag; Hellenen-Polka; Persischer Marsch; Marien-Klänge-Walzer; Eljen a Magyar!; Czardas; An der schönen blauen Donau.

Teil 2:
Duke Ellington¹s Sound of Love: Very Special; Smada; Circle in Fourths; Take the A-Train; Warm Valley; I¹m just a lucky so and so; Rockin¹ in Rhythm; Caravan; Little Max; Diminuendo & Crescendo in Blue.

“Schani im Swingformat ­ Das Vienna Art Orchestra mit einem spannenden Strauß-Projekt: Wenn am 1. Jänner ihr Job getan ist, werden einige Wiener Philharmoniker an diesem Abend selbst zum Publikum. Sie werden beim ersten Neujahrskonzert des Vienna Art Orchestra auch einen Ex-Kollegen hören, wie er Teile ihres diesjährigen Neujahrskonzertes in Jazzversion vom Baß aus begleitet. Georg Breinschmid hat mit der Arbeit am Neujahrstag Erfahrung. Als Philharmoniker hat er früher im Großen Saal des Musikvereins im Walzertakt gearbeitet. Irgendwann allerdings begann ihm anderes vorzuschweben.
Zum Art Orchestra kam der 26jährige über Sessions im Porgy & Bess: ’Ich kann mich genau erinnern, das war ein Tag, an dem ich drei Dienste hatte, ein Mittwoch. Danach ging ich zur Session, wo mich Mathias Rüegg gehört hat. Das war sozusagen mein Probespiel, ohne daß ich es wußte.Œ Das Repertoire des Art Orchestra ist übrigens hier ident mit jenem der Philharmoniker. Breinschmid hat den Kontakt zu den Ex-Kollegen geschaffen, und es regte sich kein Widerspruch. Die Arrangements, die Rüegg erstellt hat, sind nach Breinschmid ’nicht Verfremdungen, auch nicht Parodien, die Logik der Musik ist auf die Big-Band-Sprache übertragen. Auch bei den langen Walzern ist die Form geblieben."
Etwas ist natürlich doch anders. Im zweiten Teil erklingt beim VAO das glänzende Ellington-Programm, das schon auf CD existiert. Zudem werden Gäste wie Michel Portal und Wolfgang Puschnig Strauß-Melodien hauchen. In den nächsten Jahren wird das Konzert womöglich wieder stattfinden, aber dann nicht in Wien, sondern irgendwo anders in anders"
Halt! Hier trog den braven Künder (Ljubisa Tosic im “Standard") vor einem Jahr seine Seherkraft. Wien bleibt Wien ­ Vienna rules & rolls & swings & waltzes again! Aber “irgendwo anders" ­ das wiederum sah er, der Jazzdoktor des “Standard", ganz richtig in seiner Glaskugel: Was vor einem Jahr in den Sofiensälen stattfand, kehrt nun im neuen Porgy & Bess ein schon längst überfälliges Jahrtausend zur Tür hinaus, um einem nagelneuen und womöglich prächtigen (musikalischen) Millennium Quartier zu geben.
Anzunehmen, daß auch noch gilt, was Berichterstatter Samir H. Köck in der “Presse" im Jänner 2000 mit der gesichtsbewuchsphilosophisch zweifellos debattierenswerten Frage “Wie hätte Strauß Saxophon gespielt?" einleitete: “Das krause Gebüsch, das einst den Mund des Johann Strauß umrahmte, macht ein Geheimnis aus der Lippentopographie des Komponisten. Ob sie (die Lippen, Anm.) wohl so beschaffen waren, daß sie ein Saxophon beatmen hätten können?
Das Vienna Art Orchestra schien dies zu vermuten und lockte mit der Collage eines saxophonblasenden Strauß-Schani erfolgreich in die Sofiensäle. Ein korrekt befrackter Mathias Rüegg sandte Bonmots in den prall gefüllten Saal, ehe er flugs begann, die klandestinen Grooves aus dem Straußschen Oeuvre hervorzukitzeln. Man hob mit dem ins Melancholische ausfransenden ’Lagunen-Walzer' an, um dann erstmals mit der ’Process-Polka' steifen Groove zu zelebrieren.
Aufbrausendes und Aufwiegelndes, selbstgefällig Glitzerndes und inhaltsschwere Schmucklosigkeit, viel ohrenfreundliche Glattheit, kleine Verschrobenheiten ­ ein kurzweiliges Kaleidoskop der Straußschen Ästhetik erreichte das Ohr. Suppés ’Ein Morgen, ein Mittag, ein Abend in Wien' verwandelte sich in edlen Swing, Eduard Strauß¹ ’Gruß an Prag' brätzte dank Bumi Fians Trompetensolo machtvoll, der ’Libelle' Flügelschlag sorgte für Frischluft. Rüegg, halb Zampano, halb Kalfaktor, entlockte seinem blendend disponierten Orchester kraftvolle wie sensitive Klänge.
Höhepunkte waren die De-luxe-Soli von Spitzenkräften wie dem Flügelhornspieler Arkady Shilkloper, dem Gitarristen Alegre Corrêa, den Saxophonisten Heinrich von Kalnein und Harry Sokal sowie den Klarinettisten Klaus Dickbauer und Michel Portal. Bassist Georg Breinschmid begeisterte mit einer vor superiorer Musikalität strotzenden Soloexkursion. Die Abschlußnummer ’An der schönen blauen DonauŒ, von Saxophonist Wolfgang Puschnig herrlich kulinarisch dargeboten, bewies Hitqualitäten, auch im Jazzarrangement. Ausgelassener Jubel begleitete das Orchester in die Pause, aus der es mit seiner so erfolgreichen Ellington-Adaption ’Sound of Love' wiederkehrte."
So “machtvoll" hier der Rhetor “brätzt" und “superior" gar “strotzt", so schlank, genügsam und wohl auch trefflich sich die Dame gibt: “Verliebt und (be-)trunken gehen ’Wein, Weib und Gesang' dahin."
(Irene Suchy, ORF).

Eintritt: 400 Schilling (31. 12.) bzw. 300 Schilling (1. 1.). Membercardbesitzer: frei.