„Small Town“ präsentiert den Gitarristen Bill Frisell und den Bassisten Thomas Morgan mit einem Programm aus Duetten – die poetische Qualität ihres Zusammenspiels wurde live im New Yorker „Village Vanguard“ eingefangen. Frisell hatte sein ECM-Debüt 1983 mit dem ähnlich intimen Album „In Line“ gegeben. Zur Geschichte des Gitarristen mit dem Label gehört eine Reihe von Trio-Aufnahmen mit Paul Motian und Joe Lovano, mit dem Album „Time and Time Again“ von 2007 als Höhepunkt. „Small Town“ beginnt mit einem Tribut an Motian – in Form einer 11-minütigen Interpretation der von dem verstorbenen Schlagzeuger geschriebenen Komposition „It Should've Happened a Long Time Ago“, in der das kontrapunktische Spiel des Duos subtile Kraft entfaltet.
Morgan ist jüngst auf diversen ECM-Alben zu hören gewesen, als Bassist der Wahl für Tomasz Stanko, Jakob Bro, David Virelles, Giovanni Guidi und Masabumi Kikuchi. Auf „Small Town“ zollen Frisell und Morgan dem Jazz-Altmeister Lee Konitz mit einer Version von dessen „Subcionscous Lee“ Tribut. Zudem gibt es hier Country-Blues-inspirierte Frisell-Kompositionen, darunter das melodiöse Titelstück. Das Duo beschließt den Set mit einer Version von John Barrys James-Bond-Filmsong „Goldfinger“. (Pressetext)
Bill Frisell über sein neuestes Album "Small Town"
„Alles weglassen, was nicht notwendig ist“
CD-Tipp am 2.8.2017 von Johannes Kaiser
Zuerst lernte Bill Frisell Klarinette, dann stieg er auf die Gitarre um. Auf der Schule spielte er in R&B Bands mit. Dann ging er nach Boston, um auf der "Berklee College of Music" Jazz zu studieren. Nach Ende des Studiums stieg er rasch zu einem der gefragten Gitarristen der Downtown-Jazzszene New Yorks auf. Bill Frisell gründete immer wieder eigene Bands. In den 1990ern dann besann er sich auf seine Wurzeln, wagte sich an Country-Adaptionen, wurde ruhiger, melodischer. Außerdem faszinierte ihn brasilianische Musik. Trotz seines unverkennbaren Gitarrenspiels ist er musikalisch nie stehen geblieben. Bei ECM ist nun sein Album „Small Town erschienen.
Mitschnitt aus dem New Yorker Jazzclub "Village Vanguard"
Wie so viele amerikanische Jazzmusiker in reiferen Jahren hat sich auch der inzwischen 66-jährige Bill Frisell in den letzten Jahren auf die Country- und Folkmusik seiner Jugend besonnen. Mit dem Titel "Wildwood Flower" verbeugt er sich auf seiner neuen CD "Small Town" vor der Gitarristin Maybelle Carter von der Carter Family. Die war in den 20-iger und 30-iger Jahren in den USA ausgesprochen beliebt.
Ihr Song gehört zu den acht Titeln auf dem neuen Album, die bei einem Konzert von Bill Frisell und dem Kontrabassisten Thomas Morgan in dem New Yorker Jazzclub "Village Vanguard" mitgeschnitten wurden. Hier hat der Gitarrist als junger Mann fast alle Größen des Jazz gehört. Nie hätte er sich damals träumen lassen, selbst einmal auf dieser Bühne zu stehen. Doch das ist inzwischen oftmals geschehen. Für ihn strahlt der Club eine besondere Energie aus, die auf sein Zusammenspiel mit Thomas abgefärbt hat. Er schätzt den zwanzig Jahre jüngeren Kontrabassisten außerordentlich.
Bill Frisell: “Es war unglaublich, mit ihm zusammen Duo zu spielen. Es ist wie ein Zauber, wie Magie. Ich habe fast ein wenig Angst, darüber zu sprechen, weil ich fürchte, dadurch diesen Zauber zu brechen. Es gibt zwischen uns ein starkes gegenseitiges Verständnis. Es ist so, als ob er mit meiner Hand verbunden wäre und jede Note, die ich spiele, bereits kennen würde.“
Hommage an Paul Motian
Bill Frisell hat mit Thomas Morgan bereits mehrfach zusammengespielt. So auch bei den Aufnahmen zum letzten Album des 2011 verstorbenen Schlagzeugers Paul Motian. Für Bill Frisell war der Musiker ein bewunderter und hoch geschätzter Freund. Als Hommage an ihn haben die beiden ein altes Stück von Paul Motian neu interpretiert.
Bill Frisell: “Ich habe 30 Jahre lang mit Paul gespielt. Als er starb, war ich mir unsicher, ob ich jemals wieder seine Musik spielen könnte. Ich hatte sie ja immer mit ihm zusammen aufgeführt. Aber dann war es doch eine große Erleichterung für mich, dieses Stück erneut aufzugreifen. Ich fühlte dabei, dass die Musik weiterlebt. Es war richtig und gut von uns beiden, das zu machen.“
Goldfinger-Interpretation aus dem James Bond Film
Auf dem neuen Album finden sich neben einem Stück des Saxophonisten Lee Konitz noch ein Fats Domino-Titel, die Goldfinger-Melodie aus dem James Bond Film und drei eigene Kompositionen. Wichtig ist Bill Frisell bei seiner Interpretation vor allem eine Reduktion auf den Kern der Musik.
Bill Frisell: „Ich versuche, in der Musik gleich zum Wichtigsten zu gelangen und alles wegzulassen, was nicht notwendig ist. Ich möchte die stärkste Note finden, alles vereinfachen. Ich versuche, zum emotional bedeutendsten Teil der Musik zu gelangen.“
Ob eigene Stücke oder Fremdmaterial: Bill Frisells Gitarrenspiel ist einzigartig und sofort zu erkennen. Er ist ruhiger geworden, gelassener, melodiebetonter. Und Thomas Morgan erweist sich als kongenialer Begleiter. Ihr Album hat das Zeug zum Jazzklassiker.