Das Schlafwandeln ist eine Krankheit unserer Zeit. Zumindest sieht das Omer Klein so. Denn der israelische Ausnahmepianist bezeichnet mit dem Begriff „Sleepwalker“ die zahlreichen Passanten, die mit dem Smartphone vor dem Gesicht durch die Straßen taumeln. Mit dieser Erklärung zeigt sich Klein einmal mehr als wacher Geist, der das Hier und Jetzt seiner Umgebung aufnimmt und kritisch hinterfragt, verarbeitet und zur Diskussion stellt. Dabei hätte „Sleepwalker“ auch gut eine Selbstbeschreibung des 34-Jährigen sein können, bzw. eine Beschreibung der Musik seines Trios. Denn auch auf ihrem nunmehr sechsten Album – und dem ersten auf einem Major – machen Klein und seine Begleiter Haggai Cohen-Milo (Kontrabass) und Amir Bresler (Schlagzeug) die Nacht zum Tag und den Tag zum Traum.
Mit einer spielerischen Leichtigkeit und einem blindem, weil aufs Hören reduzierten Verständnis musiziert sich das Trio durch die insgesamt 13 Tracks dieses Albums. Ob lyrisch und sanft oder rhythmisch vertrackt: Immer klingt dieses Trios zeitgeistig und frisch. Besonders gelungen sind neben dem sanften Opener „Wonder And Ave“ vor allem das marschierende Titelstück, das funky „Blinky Palermo“ sowie das perkussive „Don’t Be A Zombie“ sowie das insistierende „What’s On Your Mind?“. Bei allen Stücken bildet die Rhythmusgruppe mit ihrem leichtfüßigen Groove eine feste Front, gegen die Klein auf seinem Piano nach und nach anspielt. Immer wieder verschiebt sich sein Anschlag und wird so fast zum kontrapunktischen Element in einer ansonsten auf Harmonie zielenden Soundarchitektur. Dabei sind es gerade diese Widerhaken, diese Reibungspunkte, die „Sleepwalkers“ so interessant machen, weil sie die Vorhersehbarkeit brechen, und das Trio davor bewahren, sich zu nah dem Pop zu nähern.
Denn das ist bei aller zur Schau gestellten Akrobatik und bei aller hörbaren Spielfreude das einzige Manko dieser ansonsten großartigen Platte: ihre runden Ecken, ihr ausgeprägter Wille zu Gefallen. Das tun Klein, Cohen-Milo und Bresler sowieso. Besonders aber dann, wenn sie mutig zu Werke gehen. „Sleepwalkers“ ist ein starkes Album, das aus der schier unendlich langen Reihe an talentierten Piano-Trios in Europa deutlich heraussticht. Zu was das Trio in der Lage ist, zeigt es regelmäßig auf der Bühne. Das konnte man zuletzt beim Release-Konzert von „Sleepwalkers“ Mitte Februar im Robert-Schumann-Saal in Kleins Wahlheimat Düsseldorf sehen. Dort sah man ein Trio, das mit schlafwandlerischer Sicherheit miteinander musizierte. (Sebastian Meißner)