2001 wurde sie in Berlin gegründet, seit 2004 gibt es sie weltweit: Die Yellow Lounge verknüpft Elemente der Clubkultur mit klassischer Musik. In Berlin, London, Paris, Stockholm, Wien, Sydney, Buenos Aires und vielen weiteren Metropolen weltweit strömen Menschen in die Clubs, um sich dort mal nicht von kühlen Techno-Beats, sondern von Auftritten klassischer Musiker elektrisieren zu lassen: Es ist widersprüchlich und zugleich doch auch so passend – die Verbindung zwischen Klassik und Club mischt das Liveerlebnis von hochkarätigen Solisten mit experimentellen DJ-Sets, die die gängigen Hörgewohnheiten der Klassikwelt gehörig durcheinanderwirbeln. Ergänzt wird der akustische Sinnesgenuss durch außergewöhnliche Live-Videoinstallationen. (Pressetext)
Eine schwelgerische Melodie schwingt sich empor und klingt dann ruhig aus, als zwei junge Liebende, die durch Gewalt und Intoleranz getrennt waren, ihren Traum in ein gemeinsames Lied fassen: »Für uns gibt es einen Platz«, so singen sie, »irgendwo, einen Platz für uns.«
Die junge amerikanische Sopranistin Nadine Sierra wählte diese Anfangsworte des Lieds Somewhere aus dem Musical West Side Story, das Leonard Bernstein auf Texte von Stephen Sondheim schrieb, ganz bewusst als Motto und Titel ihres Debütalbums. Für die Sängerin, deren Großvater aus Puerto Rico stammt, hat die Geschichte um die Revierkämpfe zwischen einer weißen und einer puerto-ricanischen Gang einen sehr persönlichen Bezug. Doch sie unterstreicht, dass ihr Debüt weit über solche autobiographischen Momente hinausgeht: »Das Album soll jeden hoffen lassen, dass es irgendwo einen Platz für ihn gibt«, sagt die Sängerin, und ihre Stimme bebt dabei mit der gleichen Leidenschaft, mit der sie weltweit das Publikum der Opernhäuser in ihren Bann zieht. »Meine Art, diese Idee in die Tat umzusetzen, ist die Verbreitung einer positiven Botschaft.«
Während die spanisch- und englischsprachigen Lieder auf diesem Album an das kulturelle Erbe von Sierras Vater anknüpfen, würdigt sie mit den portugiesischen Arien ihre Mutter, die einst aus Lissabon in die USA kam. In der Arie (Cantilena) aus Bachianas Brasileiras Nr. 5 verbindet der brasilianische Komponist Heitor Villa-Lobos eine schwermütige Melodie mit einem portugiesischen Text von Ruth Valadares Corrêa. Voll sehnsüchtiger Erwartung beschwört ihre Dichtung den aufgehenden Mond. Auch die folgende Vertonung von Langston Hughes Gedicht Stars widmet sich dem Himmel, diesmal dem über Harlem: Das Lied stammt aus dem Zyklus Only Heaven von 1997 von Ricky Ian Gordon, der sich damit in die Tradition großer amerikanischer Querdenker wie Bernstein und Sondheim stellte und wie sie die Grenzen zwischen Oper, Musical, Kunstlied und Popmusik verschwimmen ließ.
Die auf diesem Album versammelten Lieder sprengen nicht nur die Grenzen der Oper, sie präsentieren auch Künstler unterschiedlichster Herkunft. Dem lebhaften, feurigen Lied A Julia de Burgos, das aus Leonard Bernsteins Orchesterliederzyklus Songfest von 1977 stammt, liegt ein spanischsprachiges Gedicht der puerto-ricanischen Schriftstellerin Julia de Burgos zugrunde, die sich hier mit ihren vielen Rollen als Frau auseinandersetzt. Der Text des sinnlichen Liebeslieds Canção do Amor stammt ebenfalls von einer Dichterin, Dora Vasconcellos; Villa-Lobos komponierte die Musik ursprünglich für den Film Green Mansions von 1959, der im Regenwald am Amazonas spielt.
Als die USA 1976 den 200. Jahrestag ihrer Unabhängigkeitserklärung feierten, schrieb Bernstein sein Musical 1600 Pennsylvania Avenue, das einen schonungslosen Blick auf die im Weißen Haus unter dieser Adresse residierenden US-Präsidenten und ihre Familien wirft, aber auch auf ihre Sklaven und Diener. Am Broadway war das Werk ein Flop, doch die Musik lebte in anderer Form weiter, etwa im Lied Take Care of this House, das Bernstein zur Amtseinführung von Jimmy Carter dirigierte (und im Musical-Kontext eine Bitte der damaligen Präsidentengattin Abigail Adams an einen Sklaven darstellte). Das Thema »amerikanische Politik« zieht sich unterschwellig durch das gesamte Album: Sierra will die Musik als universell verständliches Medium zur Verbreitung ihrer tiefen Überzeugung nutzen, dass »der wahre amerikanische Traum darin besteht, Menschen zu verbinden, egal, woher sie kommen und an was sie glauben«.
Das virtuose Glitter and be Gay aus Bernsteins Operette Candide, einer Adaptation der gleichnamigen Novelle von Voltaire, geht der Frage weiblicher Rollenzwänge nach, während Ricky Ian Gordons Vertonung eines Gedichts von Emily Dickinson ganz unschuldige, grundlegende Fragen stellt: Will there really be a Morning? Danach lädt uns Melodia Sentimental, ein weiteres Lied aus Villa-Lobos’ Amazonas-Filmmusik, dazu ein, wach zu bleiben, nach dem Mond zu schauen und auf diese Weise den Anbruch des Tages noch ein wenig hinauszuzögern.
In der festen Überzeugung, dass »Oper keine tote Kunstform ist«, hat Sierra auch mehrere neue Werke auf die Bühne gebracht: So übernahm sie etwa 2011 eine wichtige Rolle in einer Oper von Christopher Theofanidis. Maia’s Aria stammt aus The Cows of Apollo, einer früheren Oper dieses herausragenden amerikanischen Komponisten, und ist ein Paradebeispiel für seinen brillanten, ekstatischen Stil.
Angesichts der reichen Auswahl moderner amerikanischer Werke auf dieser CD erscheint es passend, dass das älteste Werk aus der Feder von Stephen Foster stammt, dem ersten großen Songwriter des Kontinents. Sein gefühlvoller, direkter Stil, der sich auch im verträumten Jeannie with the Light Brown Hair spiegelt, ist ein Meilenstein der amerikanischen Liedkunst.
Mit dem 2002 entstandenen Lied Lúa Descolorida des argentinischen Komponisten Osvaldo Golijov richtet sich unsere Aufmerksamkeit erneut auf den Mond. Rosalía de Castro schrieb den schwermütigen Gesangstext in der charakteristischen Sprache Galiciens, einer autonomen Region in Spanien an der Grenze zu Portugal. Als Golijov in die Vereinigten Staaten übersiedelte, um sich dort musikalisch weiterzuentwickeln, reihte er sich in die erlesene Gemeinschaft immigrierter Komponisten ein, zu denen auch Igor Strawinsky gehörte. Dieser schrieb seine meisterhafte Oper The Rake’s Progress während seiner Zeit in Los Angeles. In der daraus entnommenen Arie No Word from Tom wartet eine Frau auf eine Nachricht ihres missratenen Liebhabers – und wieder ist der Mond ihr Begleiter. Sierras Interpretation des Stücks zeigt uns deutlich ihre enorme Stimmgewalt; die Sängerin entzieht sich jedoch konsequent dem Stereotyp der »Diva«, deren Gesang allein ihrem Ruhm dient. »Ich sehe mich lediglich als musikalische Mittlerin im Dienste von etwas Höherem«, betont die Sängerin. »Ich will den Menschen dienen, der Kunst dienen, der Musik dienen, dem Komponisten dienen und neuen Zuhörern dienen – Menschen, die nie geahnt hätten, dass sie an Oper oder klassischer Musik interessiert sind.«
Der Wunsch, alle Menschen über Musik miteinander zu verbinden, steht im Mittelpunkt dieses Albums – und ist ein Herzenswunsch von Nadine Sierra. »Die Oper gehört allen«, so die Sängerin, »egal, wie alt sie sind, zu welcher Rasse sie gehören, womit sie Geld verdienen oder vielleicht auch nicht. Diese Musik spricht zu uns, denn sie spiegelt die menschliche Natur.« (© 2018 Aaron Grad, Übersetzung: Felix Schoen)
RECOMPOSED BY PETER GREGSON: BACH – THE CELLO SUITES
Sechs Jahre lang war es ruhig um die renommierte Recomposed-Reihe der Deutschen Grammophon. So unterschiedliche Künstler wie Matthias Arfmann und Carl Craig, Jimi Tenor und Matthew Herbert hatten mitreißende Neubearbeitungen bedeutender Klassiker für sie aufgenommen. Auf ihrem Höhepunkt – einer Veröffentlichung von Max Richter, die später mit dem Echo Klassik prämiert wurde – ging Recomposed 2012 in eine unbestimmte Pause. Nun wird die gefeierte Serie fortgesetzt, es erscheint Recomposed by Peter Gregson: Bach – The Cello Suites.
300 Jahre nach ihrer Komposition (1717-1723) gehören Johann Sebastian Bachs Cello-Suiten (BWV 1007-1012) im Klassik-Kanon zu den bekanntesten und beliebtesten Werken überhaupt. Der preisgekrönte schottische Cellist und Komponist Peter Gregson hat sie nun auf überraschende Weise neu interpretiert. Gregson produzierte ein eingehendes, modernes Remake.
»Diese Suiten sind grundlegend im Cello-Repertoire«, sagt Gregson. »Ich bin mit ihnen aufgewachsen und hatte durchaus schlaflose Nächte während der Produktion dieses Albums, denn ich fragte mich, was Bach wohl dazu gesagt hätte, dass ich seine Suiten neu erfinde.«
Auf Recomposed by Peter Gregson: Bach – The Cello Suites spielt nicht ein einziger Solist, es spielen sechs Cellisten, darunter Gregson selbst, die Stücke, die er in ein subtiles elektronisches Klangbett gelegt hat. Er habe sich Bachs Kompositionen nicht als Bild gedacht, also zweidimensional, sondern als Skulptur, beschreibt Gregson. Auch wenn das Objekt gleich bleibe, könne man es drehen und wenden, es aus wechselnden Perspektiven betrachten, das Licht darauf richten und unterschiedliche Schattenformen sehen, verschiedene Gefüge erkennen.
Die Aufnahmen von Recomposed by Peter Gregson: Bach – The Cello Suites machte Gregson in den Londoner Air Studios mit einem Ensemble von fünf Cellisten – namentlich Richard Harwood, Reinoud Ford, Tim Lowe, Ben Chappell und Katherine Jenkinson. Darüber hinaus verwandelte er ein Arsenal analoger Synthesizer in akustische Instrumente, indem er sie im sogenannten Re-Amping-Verfahren aufnahm und nachbearbeitete.
Die komplexen Daten seiner Studio-Produktion – ausgedruckt auf 500 Seiten – bilden für Gregson das Rückgrat seiner Re-Komposition. Sie sind ein gleichwertiges Pendant zur Notation. »Einen riesigen Teil der Arbeit bestimmte der Aufbau der Instrumente im Raum«, erklärt er. »Beim Hören meiner Version sieht man Bach quasi durch eine andere Brille.«
Peter Gregson zählt zu den führenden Cellisten Großbritanniens, außerdem ist er ein namhafter zeitgenössischer Komponist und bekannter Tontechniker/Klangkünstler der Insel. 1987 geboren in Edinburgh, begann er mit vier Jahren Cello zu spielen. Er studierte das Instrument an der Londoner Royal Academy of Music und belegte danach in den Vereinigten Staaten einen Studiengang in Experimenteller Technik beim innovativen Media Lab des Massachusetts Institute of Technology (MIT).
Neben seiner Arbeit als Musiker und Komponist war Gregson in den kalifornischen Remote Control Studios des Filmkomponisten-Gurus Hans Zimmer bei vielen Produktionen (Wonder Woman, Terminator, Sherlock, Marcella, Tarzan, Hacksaw Ridge) als Tontechniker tätig. Er arrangierte die Streicher und spielte Cello auf Ed Sheerans kürzlich erschienenem, 2018 mit einem Grammy ausgezeichneten Bestseller-Album Divide.
Unter eigenem Namen hat Gregson die Solo-Alben Terminal (2010) und Lights In The Sky (2014) herausgebracht. 2017 erschienen mit Quartets: One und Quartets: Two zwei Alben mit Streichquartetten von ihm. Dazwischen veröffentlichte er die EP Gregson Richter Jóhannsson (2011) mit Musik, die Max Richter und der kürzlich verstorbene Jóhann Jóhannsson für ihn geschrieben haben. Gregson komponierte die Ballettmusik Flow wie auch die Soundtracks der Filme A Little Chaos und zuletzt Forgotten Man. Verschiedene weitere EPs vervollständigen die bereits beachtliche Diskografie des Anfang-30-Jährigen.
Mit Recomposed by Peter Gregson: Bach – The Cello Suites schlägt Peter Gregson nun ein neues Kapitel in seiner mehrdimensionalen künstlerischen Arbeit auf und erweckt die im Neo-Klassik-Genre bahnbrechende Recomposed-Serie aus dem Dornröschenschlaf.
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