Di 19. November 2002
21:00

Andy Bey presents Tuesday in Chinatown

Andy Bey: piano, vocal

Zu den gefeiertsten Wiederentdeckungen der letzen Jahre im Jazz gehört der New Yorker Sänger und Pianist Andy Bey. Im Chet Baker-Film „Let´s Get Lost“ von Bruce Weber ist er mit seiner ersten Band Andy & The Bey Sisters im swingenden Paris der 50er zu sehen: selbst diese kurze Sequenz vermittelt, warum sowohl MusikerInnen wie Aretha Franklin und Bud Powell als auch Stars wie Marlon Brando und Marlene Dietrich zu seinen Fans gehörten. Seine Auftritte anfang 1960 im damaligen Frankfurter Storyville versetzen Zeitzeugen heute noch ins Schwärmen. Bey spielte danach mit den Größten dieser Musik, u.a. mit Sonny Rollins, Charles Mingus, Max Roach, Horace Silver, Roland Kirk, der Thad Jones-Mel Lewis Big Band und Eddie Harris. Aber erst 1996 gelang es ihm nach über zwanzigjähriger Pause als Solist wieder neue Alben einzuspielen. Dazu meinte Newsday: „... like having Ella Fitzgerald take a vow of silence.“
„Tuesday in Chinatown“ vervollständigt die Trilogie von Andy Beys sanften Balladenalben, die er seit 1996 in New York aufnahm. Es war sein Produzent Herb Jordan, der ihm den kreativen Freiraum verschaffte, seine kraftvolle Bariton-Stimme auch leise einzusetzen, sehnsuchtsvoll und zärtlich. Es ist das, woran er lange gearbeitet hat und das er den „Quiet Style“ nennt. „Eine Film-Noir-Stimme“ schrieb die New York Times zum Erscheinen der CD. „Languid, geheimnisvoll und von unerreichter Schönheit“. In den frühen Jahren von Andy and the Bey Sisters und später mit Horace Silver stand immer das ungewöhnliche Stimmvolumen Beys im Vordergrund. Sein seltener, vier Oktaven umfassender und auch im tiefen Bereich klangvoller Ausdruck. Trotz unzähliger eigener Songs hat sich Bey auch für „Tuesday in Chinatown“ wieder auf das American Songbook eingelassen und Neues, aber auch Vergessenes hinzugefügt. Dabei ist er sehr textorientiert. Bei „Fragile“ von Sting besingt er die Zerbrechlichkeit der Seele so eindrücklich, daß man ihn festhalten möchte, bewahren. Seine Interpretationen haben Soul, seine Stimme ist der ewige Blues
der Erinnerung. Wie „Feelin’ Lowdown“ oder „Little Girl Blue“, das Lieblingslied seiner Schwester, damals. Als Kind sein bedeutete, die Zukunft noch vor sich zu haben.
Man spürt die tiefe Spiritualität, die Bey umgibt, in seiner Art, die Texte zu singen. Die Betonung der einzelnen Worte, das zurückgenommene Klavierspiel des einfühlsamen Pianisten. Er läßt den Song langsam entstehen, stülpt den Zeitbegriff um. Und seine Stimme scheint wie geschaffen für Nick Drakes „River Man“, ein Song, dessen melodische Kraft auch Brad Mehldau immer wieder beeindruckte. (Stephan Meyner)