Mi 14. November 2018
20:30

Ron Carter 'Foursight' (USA/CAN)

Ron Carter: bass
Renee Rosnes: piano
Jimmy Greene: tenor saxophone
Payton Crossley: drums

Knack, Basslegende Ron Carter schaltet (...) seinen Verstärker ein. Selten wurde wohl ein krachender Bassverstärker in so freudiger Erwartung zur Kenntnis genommen. Das Foursight Quartet nimmt sein Spiel auf. Intro, Mid-Tempo Swing, leichtfüßig. Perkussionist Rolando Morales-Matos rasselt sanft die Schellen. Drummer Payton Crossley macht sich mit zarten Beckenschlägen bemerkbar. Ron Carter lässt den Stand Up Bass in Viertelnoten voranschreiten, wie beiläufig beginnt das Solo, reizvolle Flageolettöne schmeicheln dem Ohr. Pianistin Renee Rosnes löst Carter solistisch ab. Die Sache nimmt Fahrt auf, Triolen zerteilen den Grundbeat, aus Vier werden Zwölf.

Das Publikum ist gebannt bei der Sache. Rhythmuswechsel, Latin, überraschender Break, Taktwechsel, Percussion – Piano unisono, zweistimmiger Bass, Talking Drum. Das Geschehen ist spannend. Ein Stück folgt übergangslos dem anderen. Eine Welt aus Musik, eine Erzählung, ein Gemälde. Was hat der Jazz zu bieten? Zwar erkunden die vier Musiker nicht jede mögliche Facette des Jazz, dafür ist diese Welt wohl zu groß – doch sie offenbaren einen außerordentlich großen musikalischen Reichtum. Allen voran Ron Carter selbst, der mit seinen 78 Jahren und – so ist zu lesen – über 3.000 Tonaufnahmen über jede Menge Erfahrung verfügt; Erfahrung, zu der es wohl ohne das herausragende Talent des Amerikaners nicht gekommen wäre. Neben dem Bandleader selbst steht Rolando Morales-Matos im Vordergrund. Liegt es an seiner besonders sichtbaren und hörbaren Spielfreude oder daran, dass eine so herausragende Rolle für einen Schlagwerker ungewöhnlich ist? Bedingt das eine das andere? Wie auch immer, der gebürtige Puerto Ricaner mischt die Sache ordentlich auf, gibt Impulse, prägt die Stimmung, treibt das sehr zahlreich anwesende Publikum mit einem ausgedehnten a cappella Triangel-Solo in die Begeisterung. Glücklicherweise darf jedes Quartett-Mitglied seine Stärken ausleben. Die Kanadierin Renee Rosnes musiziert am Flügel mal „Satie-mäßig“ schwelgend, mal ultra-rhythmisch jazzend, mal in nicht enden wollenden Läufen vorandrängend -auch sie kreativ impulsgebend – zuweilen in angeregter, intimer Unterhaltung mit dem Bass. Der Schlagzeuger liefert all das in Perfektion, was den Swing zum Swing macht, den Bossa zum Bossa, den Flamenco zum aufwühlenden Tanz.

Payton Crossley soliert mit großer Selbstverständlichkeit und Präzision, mal Becken-lastig, mal Tom-Tom- und Snare-lastig, immer spannend. Mr. Bow-Tie, 5.95, Caminando von Ron Carter selbst, Flamenco Sketches von Miles Davis, My Funny Valentine, You and the Night and the Music.

Egal was gespielt wird, jede Sekunde ist ein Vergnügen. Dann der Schluss. Die Band entfernt sich mit dem Aufzug. Das energisch klatschende Publikum beobachtet gespannt die Etagenanzeige über den Lift-Türen. Der Pfeil dreht sich nach unten – die Zugabe naht. Eine kleine, feine musikalische Gnadenfrist. Der Bass verklingt. Knack, Verstärker aus. Ende. Schade! (Barbara Sagel, Neuburger Rundschau, 2015)