Lukas Kranzelbinder: bass, leader
Clemens Salesny: alto saxophone
Johannes Schleiermacher: tenor saxophone
Mario Rom: trumpet
Oliver Potratz: bass
Nikolaus Dolp: drums
Mathias Koch: drums
special guest: Tobias Hoffmann: guitar
Hinweis: An den beiden Abenden werden unterschiedliche Programme gespielt!
Shake Stew kehrt nach einem Jahr für zwei Abende in seinen Heimclub Porgy & Bess zurück und präsentiert ein nagelneues Programm. Je zwei Sets pro Abend geben dem österreichischen Septett der Stunde jenen Raum, den es braucht, um die gesamte Klangpalette vor den Ohren des Publikums zu entfalten. „The Aufstieg never stops“ schrieb Klaus Nüchtern über das letzte Album und wirklich scheint es so, als ob die Musik dieser Formation immer größere Wellen schlägt. Nach Einladungen vom renommierten Montreal Jazz Festival bis hin zum deutschen Jazzfestival Frankfurt wurde auch die deutsche Wochenzeitung DIE ZEIT auf Shake Stew aufmerksam und schickte ihren Musik-Journalisten Ulrich Stock für ganze 5 Tage in den Jazzclub Unterfahrt nach München, wo die Band gerade eine Residency mit täglich wechselndem Programm spielte. Dass einer jungen österreichischen Formation eine komplette Seite im Feuilleton der ZEIT gewidmet wird, erscheint bereits als Sensation, viel mehr aber verblüfft die Euphorie und Begeisterung, die den Journalisten angesichts seiner Erfahrungen gepackt haben:
„Meine Begegnung mit Shake Stew war an Banalität nicht zu überbieten: Ich war in Hamburg an einem sehr späten Februarabend zum Einkaufen gefahren und hatte das Autoradio laufen, NDR Info. Was ich hörte, haute mich um. Grandiose Rhythmen, schmelzende Bläser, hypnotischer Funk-Beat-Swing-Afro-Jazz-Rock-Rhythm-and-Irgendwas. Ich war so gebannt, ich konnte nicht aussteigen, und Penny machte gleich zu. Noch in der Nacht schrieb ich eine Mail an den Bandleader, einen gewissen Lukas Kranzelbinder, damals 28 Jahre alt. Inzwischen weiß ich, dass andere Hörer ähnliche Initiationserlebnisse hatten; etwas geht von dieser Band aus, das neu und besonders ist – und ungemein attraktiv. Im Mai kamen Shake Stew ins Hamburger Karolinenviertel, ins Volt, den jüngsten Jazzclub der Stadt, Durchschnittsalter der Gäste: 25. Sie brachten den proppenvollen Laden zum Kochen. Als wir hinterher kurz miteinander sprachen, erfuhr ich von den fünf Tagen in München. Die Idee, sie zu begleiten, war sofort da.
[...] Schon die Besetzung unterscheidet Shake Stew von allen anderen: hinten zwei Schlagzeuge, rechts und links an den Seiten zwei Bässe, vorn in der Mitte zwei Saxofone, die eine Trompete einrahmen. Ein Doppeltrio plus eins sozusagen.
Aber man verdoppele mal ein Schlagzeug! Das ist sehr selten und hört sich schnell chaotisch an. Anders bei Mathias Koch und Niki Dolp. Sie feilen beständig an ihrem Groove. Damit der eine einen Schlag setzen kann, muss der andere ihm die Zeit geben. Zu zweit wie einer zu klingen: Das bringt Wucht und Farbe. Um den Druck zu erhöhen, gibt es neben den Basstrommeln eine dritte, noch tiefere. Alle sind unterschiedlich gestimmt – Melodien auch da, wo sonst keine sind.
An den Seiten wechseln die Instrumente. Die Bassisten spielen akustisch und elektrisch in allen Kombinationen, gezupft und gestrichen. Gestrichener E-Bass, Psychedelik pur, wenn einer wie Oliver Potratz es macht.
Mittendrin greift Lukas Kranzelbinder zur Gimbri, der marokkanischen Basslaute, einem aus Holz und Fell zusammengefügten Instrument mit drei Saiten aus Darm, dessen Klang rituelle Hitze verströmt. Die Bässe versinken in brodelnder Trance zwischen den Doppel-Drums. Und darüber die drei Bläser, weich und voll, süffig schwelgend, woher nehmen sie diese Linien? So vertraut, dabei aus völlig unterschiedlichen Richtungen, mal mysteriös gleitend nach Art des Ornette, mal hymnisch fanfarenhaft, als ob der Berliner Arbeiterkomponist Hanns Eisler ein paar kämpferische Töne eingestreut hätte.
Und dann steigert sich der Saxofonist Johannes Schleiermacher in ein geräuschhaftes Solo hinein, das jede Form sprengt, ein Brötzmann aus dem Busch. Das Publikum in der Unterfahrt juchzt und schreit, als schließlich und völlig unerwartet eine Unisono-Passage alles wieder zusammenholt.
Wenn ich gehofft hatte, bei den Proben im neonhellen Club mehr hinter diese Musik zu kommen, lag ich falsch. (..) Die mittäglichen Stunden widmen sich spezifischen Passagen der Stücke, Übergängen zumeist oder komplexen Situationen, zu denen es kommt, wenn die sieben in zwei Teilgruppen zerfallen, die je für sich spielen, entweder alternierend mit der anderen Formation oder gegen sie an. Immer geht es um die Balance zwischen Struktur und Offenheit, zwischen Fixiertem und Fließendem. Viele Details würde ein Hörer gar nicht bemerken, aber im Streben nach Vollendung gedeiht die Qualität. Im Grunde ist es eine Meditation für Lungen und Lippen, Hände und Füße: den Leib auf den Klang auszurichten. Holy Preacherheißt ein Stück, Preaching To The Choir ein anderes, das Spirituelle erstreckt sich bis in die Titel. (...)
Am vierten Tag habe ich schon dreimal zwei Stunden hinter mir, und bislang habe ich noch immer Lust auf mehr. Mario Rom, der Trompeter, der auf der Bühne und jenseits der Bühne immer so in sich gekehrt wirkt, spielt Soli, die in Europa ihresgleichen suchen. Ruhig, beharrlich, ideenreich, virtuos. Einmal setzt er mitten in einem Solo ab, spielt nicht weiter, und jeder im Saal spürt: Das war es noch nicht. Auch seine Mitmusiker wissen es. Sie lassen ihm taktelang Zeit. Er wird schon wieder ansetzen. Und schließlich tut er es. Ein Nichtspielen, das in seiner Spannung zu einem Höhepunkt wird.
An seiner Seite Clemens Salesny, der Altsaxofonist, zurückhaltend im Auftritt wie sie alle. Seine Soli können aus tonalem Schmiss und Schmäh jäh ins Schräge abkippen. Wo kommen diese fabelhaften Musiker her? Alles Enkel von Joe Zawinul, der bei Miles Davis und Weather Report die Tasten drückte?“ (Ulrich Stock/DIE ZEIT)
Gesamter Artikel nachzulesen auf: https://www.zeit.de/2018/38/shake-stew-band-oesterreich-konzerte/seite-3