Fr 25. Januar 2019
20:30

eXtracello (A/AUS/A)

Edda Breit, Gudula Urban, Melissa Coleman, Margarethe Herbert: cello
special guests: Peter Herbert: bass, Karl Ratzer: guitar, Paul Schuberth: accordion, Bernhard Landauer: vocals

Das Cello ist im Jazz noch immer ein exotisches Instrument. Charles Mingus spielte es gelegentlich, Oscar Petiford und Harry Babasin setzten das Cello bewusst als Zweitinstrument ein, Fred Katz emanzipierte das Cello Mitte der 50er Jahre im Jazz. Die vier Cellistinnen von eXtracello erschließen dem Instrument völlig neue Ausdrucksmöglichkeiten. "Metallic angels", eine Eigenkomposition von Melissa Coleman, könnte dem Free Jazz zugerechnet werden, wenn sich die Musik dieses Quartetts nicht jeglicher Kategorisierung verweigern würde. Jobims "One note samba" und Gershwins "The man I love" auf dem Cello? Das funktioniert wie Freddy Mercurys Hit "Crazy little thing called love" und Bob Dylans "Just like a woman". Dazwischen Klassiker von Bach und Dowland und der "Tango volver" von Gardel. Edda Breit, Gudula Urban, Melissa Coleman und Margarethe Herbert improvisieren mit einer Spielfreude, die auch den "Klassikern" gut tut. Groovecello? Cellogroove? Jazz, Pop, Rock, Klassik bis Moderne - alles passt, alles wirkt wie neu und speziell für diese vier Ausnahmemusikerinnen geschrieben. Und macht ungeheuren Spaß beim Hören. (Rainer Bratfisch)

Ganz so wild wie Rocklegende Jimi Hendrix, der ja seine Gitarre auch im Liegen, auf dem Rücken und sogar mit der Zunge spielte, treiben es die vier Damen von "Extracello" auf ihren Celli nicht. Aber wie sie im Rolling-Stones-Hit "I can’t get no satisfaction" vehement losrocken, was die Saiten und Bögen hergeben, das ist schon hitzig aufgeladener Cello-Rocksound. Das Streicherinnen-Quartett aus Wien hat aber nicht nur seinen Mick Jagger und Keith Richards gut drauf, sondern auch Barockes, Klassisches, Südamerikanisches, von Kanon bis Tango.

Es war also schon ein extravagantes und unterhaltsames Programm, mit dem die Musikerinnen bei den Wehrer Schlosskonzerten in der erfreulich gut besuchten Stadthalle auftraten. Originalwerke gibt es für diese Besetzung ja kaum, also griffen auch die Vier von "Extracello" großteils auf Arrangements zurück. Ein Präludium von Bach erklang sogar gleich zwei Mal – einmal in einer Celloversion, in der noch die Bassfunktion dieses Instruments deutlich zur Geltung kam, und dann noch einmal von einem Jazzmusiker bearbeitet und entsprechend ganz verjazzt.

Querbeet durch die Stile und Epochen, zeigten Edda Breit (die auch charmant durchs Programm führte), Melissa Coleman, Margarethe Herbert und Gudula Urban, wie extrem vielseitig, klangschön, tief und volltönend, aber auch mal herrlich schräg und harsch vier Celli klingen können. Kunstvoll zelebrierten sie einen Kanon von Pachelbel mit seinen versetzten Cellostimmen, die sie auch transparent hörbar machten.

Dann wieder führten die Damen in dem "Ave Maria" von Wilhelm Fitzenhagen – einer der wenigen Originalkompositionen für vier Celli – vor, mit welch dunklem, warmem Klang sich auf dem Cello "singen" lässt. Mit Schwung und Verve legte sich das Ensemble in einen Ungarischen Tanz von Brahms und in Johann Strauß’ "Künstlerleben" schwelgten die Künstler in wienerischem Melodien- und Walzercharme.

Ganz "international" besetzt mit einer Australierin, einer Bayerin und zwei Wienerinnen, präsentierte sich "Extracello" im zweiten Teil des Abends dann immer lockerer, origineller und ausgefallener in den Stücken. Das fing schon mit einer Eigenkomposition von Melissa Coleman an: "Metallic Angels". Ein modernes Klanggemälde, wenn man so will: Stellen Sie sich einen idyllischen Strand vor, weiter blauer Himmel, Möwenschreie, und dann plötzlich als Störmanöver laute Heavy-Metal-Klänge. Das machte schon ordentlich Effekt, wie die Cellistinnen hier das durchdringend schrille Schreien der Möwen und vor allem noch die harte, schroffe Heavy Metal Band imitierten.

Szenenwechsel dann in den gefühlvollen, ein bisschen melancholischen Songs von George Gershwin wie "Summertime" oder "The Man I Love", in denen sich Gudula Urban noch als Sängerin mit einschmeichelnder Stimme hervortat. Auch für die "One Note Samba" und das Stück "Wave" des Brasilianers Antonio Carlos Jobim oder einen jazzig-modern aufgemischten Avantgarde-Tango eines Musikerfreundes aus Wien zeigten die Damen das nötige rhythmische Feeling und Pep für diese südamerikanischen Tanzklänge. Und reizten aus, was auf dem Cello möglich ist: Da wurde auch mal perkussiv auf den Instrumentenkörper geschlagen oder mit einer Bürste über den Holzkorpus gestrichen. Was man mit einem Cello alles anstellen kann, demonstrierte später Gudula Urban, die aufstand und ihr Instrument wie eine Gitarre spielte. In "Crazy little Thing called love" ließ es das Quartett noch mal richtig rocken. (Roswitha Frey, Badische Zeitung, 2009)