Tja, es hebt wieder ordentlich ab. Da biegen sich die Balken, da wackeln die Wände, es herrscht wieder funkige, groovetriefende Unruhe in der Abflughalle. Die Wiederbefeuerung des Unternehmens Depart ist mehr als geglückt. Doch Depart wehret den Anfängen, soll heißen, dass man den Faden, den die Erstbesetzung mit Fredi Studer am Schlagzeug auslegte, wieder aufnimmt. Das rhythmische Innenleben ist, zusehends luftiger und tänzelnder, und es trägt sich wieder, betreffend der Improvisationen, viel mehr an Unkalkulierbarem, in einem vordefinierten Rahmen, zu. In kurzen Episoden legt das Trio seine mit reichlich vertrackten, aber dennoch leichtfüßig einherschreitenden Motiven angereicherte Musik, offen. Der vorhandene, unverbrauchte melodische Reigen und das diesbezügliche Raffinement sind erstaunlich. Dahingehend zeichnet sich vor allem Bassist Känzig als Hauptverfasser der Themen aus. Nicht weniger aber besticht er mit seinem enorm flexiblen, singenden Spiel, das er aus treiben Ostinaten entwickelt. Harry Sokal, Premier-League-Saxofonist, improvisiert detailreich und mit einer Leidenschaft bzw. Imaginationskraft, wie schon lange nicht. Er wendet und dreht Changes und Licks mit Witz und Idee, wodurch er ihnen eine erfrischend „neue“ Inhaltlichkeit gibt. Man höre nur die durchgeknallte Version des Erzherzog Johann Jodler. Ebenso ist aber auch das Melos für ihn von immanenter Gewichtung. Dem schließt sich auch der junge slowakische Drummer Valihora, eine beachtenswerte Nachwuchspersönlichkeit, an, der sein variabel groovendes, elastisches Spiel mit einer melodischen Nuance verziert. Des Trios Ansatz: Melodiemagnetismus im Austausch mit explizit rhythmischem Bewegungsdrang. Angesiedelt in einem klassizistischen Jazzduktus mit Bezug zur Funkiness des Hard Bop, doch die bewusste Zeitgenossenschaft steht für ein pralles musikalisches Ergebnis. (haun, Freistil 54, 2014)
Renald Deppe: All About Harry…
Harry, ein aus dem mittelalterlichen Englisch entlehnter Kosename für Henry oder Heinrich, steht in unserer Gegenwart nicht für die Herren Henry Kissinger oder Heinrich Böll. Nein: gemeint ist Harry Sokal, jener in 1954 in Wien geborene Wahlniederösterreicher aus Breitstetten im Machfelde.
Harry, Duke of Sussex, bekam nie den von ihm so innig begehrten Hans Koller Preis. Diesen erhielt hingegen 2005 als Musiker des Jahres Harry Sokal, welcher bereits in jungen Jahren mehr als zehn Stunden täglich am Tenorsaxophon übte. Weshalb er (u.a.) bereits früh sein urbanes Umfeld Wien wegen nicht zumutbarer Soundintensität diverse Nachbarschaften betreffend verlassen musste.
Harry Potter konnte nach langwierigen Versuchen dann endlich ebenfalls zaubern. Doch sind seine Stab-Künste der Ver-, Um- & Anwandlungen nicht zu vergleichen mit der virtuosen Zauberei eines Harry Sokals am Tenor- & Sopransaxophon. Auch Zahnarzttochter Hermine G. musste neidlos anerkennen: Was für ein Ausnahme-Mega-Muggel an den Reeds & Beats!
Harry Graf Kessler kleidete sich als Dandy seiner Zeit auffallend elegant. Harry Sokal war und ist hingegen nicht nur durch seine Auswahl an brillant designten Sehhilfen auffällig: Seine musikalische Stilistik, sein unverwechselbarer Sound und eine unbändige Improvsisationslust machen den Ehrennadelträger seiner Heimatmarktgemeinde unverwechselbar.
Harry Belafonte hätte gern im Vienna Art Orchestra mitgewirkt. Es sollte nicht sein. Harry Sokal war seit 1977 verdienstvolles Mitglied (mit einer vierjährigen Pause) dieses legendären Ensembles, welches 2010 leider aufgelöst wurde. Der Verfasser dieser Zeilen kann eidesstattlich versichern, dass nicht der enorm hochqualitative künstlerische In- & Output eines Harry S. verantwortlich für diese schwerwiegende Entscheidung des Bandleaders Matthias Ruegg war.
Harry Rowohlt wirkte vorbildlich als Übersetzer. Harry Sokal war und ist ein unermüdlicher Umsetzer (auch) seiner eigenen Projekte: stellvertretend benannt seien hier sein Trio „Depart refire“ und die vorbildhafte Studioproduktion mit jungen Studierenden der Anton Bruckner Privat Universität (ABPU): „I remember Art“.
Harry Heine, später verhochdeutscht als Heinrich H. bekannt, war ein großartiger Poet, ein feingeistiger Lyriker. Das war auch Art Farmer am Flügelhorn. Ihn, den jazzmusikalisch stilbildenden US-Wahlwiener, begleitete Harry Sokal 20 lange Jahre in verschiedenen Band-Formationen im In- & Ausland. Und war sozusagen musikalisch mitverantwortlich für das stets hohe Niveau in den Projekten eines Art Farmers.
Harry Pepl war als austriakischer Weggefährte einer von vielen auch internationalen Klangrittern auf den Brettern, welche angeblich die Welt bedeuten: Art Blakey, Wolfert Brederode, Dave Holland, Wynton Marsalis, Terje Rypdal, Daniel Humair, Michel Portal, Mike Richmond, Mino Cinelu, Idris Muhammad, Joe Zawinul, Gene Jackson, Andy McKee: Alone together...: east of the sun & west oft the moon...: Und:
Bitte nicht zu vergessen: Für Friedrich Gulda, ein trotz aller Unken- & Uhudlerrufe in der Heimat vieler maulgroßen Söhne & Töchter ein verdienstvoller Gründungsvater wichtiger jazzmusikalischer Initiativen, war Harry S. bei den meisten seiner musikalischen Aus-, Um- & Einbruchsversuche absolut unverzichtbar.
Harry Mulisch bekam als bedeutender Schriftsteller das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Einen mindestens so goldenen Orden sollte nun auch endlich Harry Sokal bekommen: Allein seine seit langer Zeit (1989) mit großer Verantwortung wahrgenommene Unterrichtstätigkeit an und auf der ABPU-Anstalt (Anton Bruckner Privat Universität) wirkte über Generationen mehr als vorbildhaft.
So äußerte sich der stets nobel wie umsichtig waltende und gegenwärtig verdienstvoll amtierende Jim-Institutsdirektor Martin Stepanik über ein durch Krankheit bedingtes Fernbleiben - dann aber „Doch-Erscheinen“ Sokals auf der Universität: „Der Harry ist gekommen, obwohl er nicht gehen hat können“. Alles klar...?
Harry (Lime) war ein Schieber.
Harry (Dirty) war kein Schieber.
Harry-Island (vor der Westküste der Antarktischen Halbinsel) & Harry-Mountain (Vulkanberg im US-Bundestaat Oregon) werden garantiert keine beschaulichen Orte sein, an denen der umtriebige Harry Sokal zukünftig eine ruhige Kugel schiebt.
Harry Hirsch meistert als Kunstfigur in Otto Waalkes Ideenwelten jedwede komplexe Lebenssituation mit Bravour. Auch ein Harry Sokal, keine Kunstfigur sondern ein Künstler, wird sich nach seinem Abschied als Pädagoge mit der ihm eigenen Intensität den wesentlichen Dingen des Lebens zuwenden: z. B. „Mehr Ausatmen und genießen – und dadurch wieder Neues schaffen.“ (Harry S. Originalton)
Harry, Debbie, Harry Rodger Webb (Cliff Richard) & Harry Lillis (Bing) Crosby werden bei all den »Goodby JIM - 50 Jahre Harry Sokal Live« - Festivitäten ab dem 1. April 2019 aus diversen nachvollziehbaren Gründen nicht mitwirken können.
Mitwirken werden jedoch u.a. Harry H. Känzig, Harry M. Valihora, Harry Sokals Supersax & mixed Pickles. Auf- & erregend (um)gestaltet werden Musiken von Harry D. Gillespie, Harry Ch. Parker, Harry M. Davis & Harald H. Sokal.
Harry S. Truman machte angeblich in seiner Amtszeit als 33. US-Präsident folgende äußerst bemerkenswerte und noch heute mehr als (voll)gültige Aussage:
„Abgesehen von der Tatsache: Harry Sokal First...: Ich habe wiederholt gesagt, dass ich der Meinung bin, das Komitee für unamerikanische Umtriebe im Repräsentantenhaus war die unamerikanischste Angelegenheit in Amerika!“
Harry Kupfer macht seit geraumer Zeit wie so viele wohlbezahlte Regiegenossen seiner Generation mitunter hochwichtig konstruktive An- & Aussagen.
Man(n) höre und staune:
Harry’s Bar in Venedig auf Kosten der ABPU-Anstalt für eine würdige Sokal-Abschiedsorgie zu nutzen: dieser angeblich (vorläufig) letzten Kupfer-Weisung sollte man doch unbedingt Folge leisten...