Do 7. März 2019
20:30

Lucia Cadotsch 'Speak Low' (CH/S)

Lucia Cadotsch: voice
Otis Sandsjö: tenor saxophone
Frans Petter Eldh: bass

Dem All American Songbook neue Seiten abtrotzen wollen viele – gelingen tut dies indessen nur wenigen, suchen doch die meisten Sänger durch Interpretation der Standards ihre persönliche Stimme. Welch Glück, wenn man wie Lucia Cadotsch bereits zur eigenen musikalischen Sprache gefunden hat, bevor man sich an der Interpretation versucht! Mit Projekten wie Schneeweis + Rosenrot oder Yellow Bird sang sich die 1984 geborene Schweizerin schon in so manches jazzaffine Herz, bevor sie mit Speak Low erstmals unter eigenem Namen veröffentlicht. Ohne Harmonieinstrument und Schlagwerk kreiert die Vokalistin mit Petter Eldh am Kontrabass und Otis Sandsjö am Tenorsaxofon radikale, nachgerade sperrige Arrangements, die die nackte Essenz der sich größtenteils aus dem Repertoire von Billie Holiday speisenden Stücke enthüllen. Ob Henry Mancinis „Slow Hot Wind“, Kurt Weills „Speak Low” oder die Hungaro-Selbstmordhymne „Gloomy Sunday”, die man so und nicht anders bei der eigenen Beerdigung gespielt wissen möchte: Was das Terzett hier innerhalb von nur drei Tagen in einer entlegenen Ecke Polens auf Band gespielt hat, ist kein gemütlicher Sonntagsbrunchjazz, sondern roh, grobkörnig und tut stellenweise weh. Neben dem klappengeräuschdominierten Spiel Sandsjös wird der Albumcharakter durch ein beständig Repetitives bestimmt, eine Art analogen Loop, dessen hypnotische Wirkung im spätnächtlichen Club zwar intensiver als im heimischen Wohnzimmer ausfällt, doch auch hier den Zuhörer völlig zu bannen weiß. Zum Beispiel mit dem im Grunde uncoverbaren, in seiner Kompromisslosigkeit an Cassandra Wilsons New Moon Daughter erinnernden „Strange Fruit“, nach welchem erst Nina Simones zart-versöhnlich daherkommendes Hair-Medley „Ain’t Got No, I Got Life“ zu besänftigen versteht. Ein weiterer Favorit auf dieser Platte voller Lieblingslieder ist „Deep Song“, der auch einen passenden Albumtitel abgegeben hätte, tief, wie die Stücke gehen. (JAZZTHETIK)

Grosses Wagnis. Echtes Erstaunen stellt sich beim Musikgenuss selten genug ein. Umso nachhaltiger beeindruckt das Berliner Trio von Lucia Cadotsch mit dem Debütalbum „Speak Low“: hier erklingt schlicht ein musikalisches Wunder, das bei jedem Hören erneut beglückt und fassungslos macht. Die Schweizer Sängerin, der schwedische Tenorsaxofonist Otis Sandsjö und sein Landsmann am Kontrabass, Petter Eldh, sind eines der größten Wagnisse eingegangen, die es im Jazz gibt: sie haben Standards eingespielt, die sonst viele MusikerInnen meiden, weil unzählige frühere Versionen und die Erwartungshaltung des Publikums jede eigene Interpretation im Keim zu ersticken drohen. Alle Songs haben die Drei gemeinsam arrangiert, ihre Stimmen sind einander absolut ebenbürtig und wahlverwandt. Jeder Ton atmet ihren intuitiven Sinn für die melodische, rhythmische, und atmosphärische Substanz der Lieder über Hoffnung, Schmerz und Vergänglichkeit, Cadotsch singt sie zwingend direkt und seelenruhig zugleich. Eldh, derzeit einer der gefragtesten Bassisten Europas, greift kraftvoll in die Saiten, im Austausch mit Gesang und Saxofon balanciert er Melodien und perkussive Qualitäten seines Instruments aus. Das Spiel von Sandsjö pulsiert durch raue und repetitive Tonkaskaden, die unmittelbar berühren. Lucia Cadotsch hätte den Sängerinnen Billie Holiday und Nina Simone kein größeres Kompliment machen können, als deren Standards im Trio neu zu erfinden. Ein seltener Glücksfall, dass alle drei jetzt in Berlin auf der Bühne stehen. (Franziska Buhre, TIP Berlin, 7.4.2016)

Ein weiterer Höhepunkt war der Auftritt der in Berlin lebenden Schweizer Sängerin Lucia Cadotsch, die sich bewusst von einer nivellierenden Evergreen-Routine lösen und den Songs in ihren ganz speziellen Eigenheiten – vor allem auch in der Umsetzung der Texte – gestalterisch gerecht werden will. Das gelang ihr zum Beispiel glänzend in „Strange Fruit“, der 1939 von Billie Holiday in die Welt gehobene Anklage der Lynch-Morde an schwarzen Nordamerikanern. Das Stück interpretierte sie mit ihren Begleitern in der gebührenden atmosphärischen Dichte, wozu der währen des ganzen Stücks per Zirkularatmung durchgehaltene Tonstrom des Tenorsaxophonisten Otis Sandsjö viel beitrug. (FAZ, Ulrich Olshausen, 12.01.2017 über Jazzfestival Münster)

So ingenious is the way vocalist Lucia Cadotsch reimagines the canon of standards that the songs feel fully in the here and now. (…) Such is the spell that Cadotsch, Sandsjö and Eldh cast on these albums that it can make one feel that this is the only way age-old standards should be approached: not slavishly but fearlessly, with an unfettered imagination approaching that of the songs’ originators. (DOWNBEAT 5 Stars – Bradley Bamberger)