Sa 13. Juli 2019
20:30

Bill Charlap Trio (USA)

Bill Charlap: piano
Peter Washington: bass
Kenny Washington: drums

Bill Charlap: „Notes From New York“
Das Trio Bill Charlap, Peter Washington und Kenny Washington brillieren auf „Notes From New York“.

Sein Trio dürfte das langlebigste im heutigen Jazz sein: Fast 20 Jahre lang spielt Pianist Bill Charlap mit dem Bassisten Peter Washington und dem Drummer Kenny Washington, die übrigens nicht miteinander verwandt sind. Wie stets brillieren die drei auf „Notes From New York“ mit gut abgehangenen Songs aus der großen Ära des Great American Songbook, ringen dem oft als ausgereizt angesehenen Repertoire Neues ab. Das glückt durch die bedachtsame Wahl von Raritäten wie „A Sleepin’ Bee“ und durch die köstliche Ruhe ihrer innigen Interpretationen. Dieses Trio vereint Glamour, Chic und Sophistication wie niemand sonst in der heutigen Szene. (Samir H. Köck)

Seele im grauen Zweiteiler: Beserljazz de luxe
Bill Charlap, wertkonservativer Pianist aus New York, punktete mit stillem Charme im Wiener Porgy & Bess.

Seele grauen Zweiteiler Beserljazz

Es stimmt schon, Jazz war lange eine Musik, die man im Anzug gespielt hat. Doch das edle Tuch, das Pianogranden wie Duke Ellington oder Horace Silver einst auf die Bühnen führten, trug entscheidend zu deren Aura bei. Anders beim New Yorker Pianisten Bill Charlap: Der mausgraue Bürozweiteiler, den er im Porgy & Bess trug, strahlte nichts als exzessive Bescheidenheit seines Trägers aus. Auch seine brillanten Mitspieler, Bassist Peter Washington und Drummer Rodney Green, steckten in ähnlichen Anzügen.

Gar nicht von der Stange war hingegen die Behandlung, die dieses Trio den patinierten Stücken des Great American Songbook zukommen ließen. Ein wenig pedantisch legte Charlap zunächst seine Armbanduhr ab, kramte eine in winziger Schrift bekritzelte Setlist hervor, doch dann ging's in ein wild flackerndes „I Didn't Know What Time It Was“ (aus dem Musical „Pal Joey“). Bei Charlap, der auch ein viel gefragter Arrangeur ist, hat jede Bearbeitung distinktes Aroma. Dieser Mann ist zu gewissenhaft dafür, dass er leichten Herzens ins Ungewisse improvisieren würde. Stattdessen eröffnete er sich und den Kollegen kleine Freiräume, kontrollierte aber mit unsichtbarer Hand die Anmutung der Interpretation.

Charlap, der deutlich älter aussieht als er ist (46), zählt eindeutig zu den Wertkonservativen des Genres: Die Illusion einer permanenten Progression in der Musik ist ihm fremd. Stattdessen kümmert er sich um originelle harmonische und melodische Wendungen innerhalb wiedererkennbarer Stücke. Dabei konnte es schon vorkommen, dass ein Gershwin-Stück wie „Who Cares“, das einst auch Duke Pearson höchst originell gedeutet hat, mit einem überraschenden, behaglichen Groove ausgestattet wurde. In seiner behutsamen Interpretation von „Ghost Of A Chance“ griff zwar nicht der Schmerz nach ihm, dafür enthüllten Balladen wie „Enchanted“ und „The Blue Woman“, wie viel Seele diesem unscheinbaren Musiker innewohnt. Ein wenig ruppig wurde es nur beim kühn aufkräuselnden „Rocker“, einem Stück seines Lehrherrn Gerry Mulligan. Sonst: konservativer Beserljazz de luxe, was zuweilen wirklich Labsal ist. (Samir H. Köck, "Die Presse", 23.02.2013)