Magnus Lindgren: flute, fender rhodes
Henrik Janson: guitar
Lars Larry D Danielsson: bass
Per Lindvall: drums
Im Rückgriff auf musikalische Traditionen und Vorbilder entsteht oft Neues, mitunter Wegweisendes. Das dachte sich auch Kurator und Produzent Siggi Loch, als er Magnus Lindgren den Vorschlag unterbreitete, sich auf die Spuren von Herbie Mann zu begeben: „Stockholm Underground“ ist eine Hommage an den berühmten Jazz-Flötisten und angelehnt an dessen legendäres Album „Memphis Underground“ von 1969, das der US amerikanische Rolling Stone 2013 unter die „100 besten Jazz-Alben“ aller Zeiten wählte.
Die Schlüsselfigur dieses Projekts freilich ist Magnus Lindgren, ein Aushängeschild der Jazz-Szene Stockholms. Bekannt als langjähriges Mitglied der Nils Landgren Funk Unit ist er nicht nur ein begnadeter Saxofonist, sondern vermutlich der beste Jazz-Flötist den Europa derzeit zu bieten hat. Diese Kunst zeigt er erstmals in Reinform, ist doch „Stockholm Underground“ sein erstes Album, auf dem er ausschließlich Flöte spielt. Lindgren ist prädestiniert für die weichen Linien, den aspirierten Ton und die zusammen mit der Stimme im Multiphonics-Stil (hier etwa bei „Penny Blue“) erklingenden Passagen, die für Manns Instrumentalstil so typisch sind. Doch auch als Komponist und Arrangeur ist Lindgren federführend für das Projekt, acht der zwölf Stücke stammen von ihm.
Die lässige „Sweet Soul Music“ des 2003 verstorbenen Herbie Mann wird hier in die Gegenwart geholt; dieser jazzige, mit einer starken, von seinen Brasilien-Reisen inspirierten, Latin-Note unterlegte Rhythm 'n' Blues. Was nur mit den passenden Musikern gelingen konnte. Wie der Titel „Stockholm Underground“ nahelegt, geschieht dies vorwiegend mit schwedischen Musikern – kein Zufall, war doch Stockholm neben Paris und Kopenhagen in den Sechzigerjahren ein bevorzugter Zufluchtsort für amerikanische Jazz- und Bluesmusiker, die vor Diskriminierung und wirtschaftlicher Not flohen. Ein Art Farmer interpretierte schon 1964 schwedische Folksongs („To Sweden with Love“), viele, vom Star-Saxofonisten Johnny Griffin bis zum Gitarristen und Sänger Eric Bibb – der hier als Gast mit von der Partie ist –, lebten und leben hier, das „Stockholm Jazz Festival“ war früh ein Kulminationspunkt transatlantischer Begegnungen. Den schwedischen Jazz hat dies bis heute stark beeinflusst…was unter anderem die Rhythmusgruppe bei „Stockholm Underground“ belegt:
Mit Henrik Janson an der Gitarre, Lars Larry Danielsson am E-Bass und Per Lindvall (der auch bei ABBA und a-ha spielte) am Schlagzeug ist hier die heute weit über Skandinavien hinaus verehrte Urbesetzung von Nils Landgrens Funk Unit versammelt, die Mitte der Neunzigerjahre bewies, dass Groove und Soul nicht nur von Amerikanern, sondern auch von Europäern gespielt und weiterentwickelt werden kann. Dazu kommt am Fender Rhodes Daniel Karlsson, der sich mit seinem Trio wie bei der Band Oddjob als rhythmisch-melodischer Meister bewiesen hat. Hier sind sie das schwedische Gegenstück zu den legendären „Memphis Boys“, jener Studioband des American Sound Studio, die Hits von Elvis Presley, Aretha Franklin, Neil Diamond, Dionne Warwick, Wilson Pickett und eben Manns „Memphis Underground“ einspielte und damit Musikgeschichte schrieb.
Lindgren war außerdem auch der musikalische Leiter einiger Projekte von Deutschlands populärstem Jazzer, dem Trompeter Till Brönner. Und so ist auch Brönner auf zwei Stücken von „Stockholm Underground“ als einer von vier illustren Gästen dabei. Der zweite ist der bereits erwähnte Eric Bibb, der schon beim Opener „Fluting“ und dann beim bluesigen „Good Stuff“ mit seiner erdigen Stimme und Steelguitar eine weitere Farbe beisteuert. Produzent Nils Landgren stieg mit seinem unverkennbaren Posaunenspiel ebenso in die Session ein wie Ida Sand: Ihre soulige Stimme passt perfekt zur Herbie-Mann-Hommage, speziell beim „Memphis Underground“-Cover, das zuvor durch Aretha Franklin weltbekannt wurde, „Chain Of Fools“. Dieser ist übrigens der einzige der fünf Titel des Albumvorbilds, den man übernommen hat. Alle anderen elf Stücke, vom Rock-Klassiker „A Whiter Shade Of Pale“ über Ida Sands „Brutal Truth“ bis zu Lindgrens samtweichem „Mr. Mann“ ergeben bei dieser Verbeugung vor Herbie Mann die passgenaue, moderne Wiederaufnahme seines Memphis-Soul-Jazz, mit schwedischer Coolness fortgeführt. (Act-Music)