So 15. September 2019
19:00

Barre Phillips Solo (GB)

Barre Phillips: bass

Barre Phillips - Schwanengesang eines Solobassisten

1968 nahm Barre Phillips als erster Bassist überhaupt ein reines Soloalbum auf, dem viele weitere folgten. Nun, fünfzig Jahre später, legt er bei ECM mit "End To End" sein letztes vor.

ECM Sounds, Barre Phillips - Schwanengesang eines Solobassisten Didier Bonnet / ECM Records Barre Phillips "End To End" ist ein Solo-Bass-Album von einem der großen Pioniere dieses Idioms. In den zurückliegenden fünfzig Jahren hat der in Kalifornien geborene, aber seit langem in Frankreich lebende Barre Phillips in regelmäßigen Abständen Soloaufnahmen herausgebracht, die er selbst als musikalisches Äquivalent zu Tagebucheinträgen betrachtet (die erste nannte er deshalb 1968 bezeichnenderweise "Journal Violone"). Auf diesen Alben hielt er einen über seine sich kontinuierlich entwickelnde Beziehung zu seinem gewählten Instrument auf dem Laufenden. "End To End", so verkündet es der Künstler, wird nun das letzte Album in diesem anspruchsvollen Format sein. Für alle, die Barres Geschichte verfolgt haben, aber auch für jene, die einem meisterhaften Improvisationsmusiker einfach dabei zuhören möchten, wie er die im Laufe eines langen kreativen Lebens gelernten Lektionen neu fokussiert, dürfte "End To End" deshalb von ganz besonderem Interesse sein. "Es ist das Ende eines Zyklus", sagt der mittlerweile 83-jährige Barre über die vorliegende Aufnahme. "Kein Resümee, sondern die letzten Seiten eines Tagebuchs, das vor fünfzig Jahren begonnen wurde."

Aufgenommen in den Studios La Buisonne in Südfrankreich, stellt "End To End" teilweise komponierte und frei improvisierte Stücke einander gegenüber. "Ich hatte fünf Bereiche mit 'vorbereitetem Material', fünf Lieder, die ich erkunden wollte", sagt Barre. "Und der Rest wurde so angegangen wie ich eine Solo-Performance bei einem Konzert angehe." Produzent Manfred Eicher unterteilte die Stücke in drei Gruppen oder Sätze, die Barre danach "Quest", "Inner Door" und "Outer Window" nannte.

Diese Titel sind für ihn von biographischer Bedeutung: "Die Reise [mit dem Bass] wurde zu einer Art Streben nach Selbstfindung, wie im Zen oder jeder anderen philosophischen Tradition, in der es darum geht herauszufinden, wer man selbst ist. Dabei richtete ich meinen Blick sehr lange Zeit nach innen. Erst mit 55 oder 60 Jahren gelangte ich an den Punkt, ab dem ich beim Spielen nach außen blickte." Ganz gleich ob Phillips hier pizzicato spielt oder zum Bogen greift, stets besticht er mit seiner Entschlossenheit: jede Note, jeder Klang und jede Struktur in dieser Musik wirkt sorgfältig durchdacht und hat eine geballte emotionale Kraft.

Im Laufe der Jahre hat ECM Barre Phillips in vielen musikalischen Kontexten dokumentiert, unter anderem in Zusammenarbeiten mit John Surman, Terje Rypdal, Alfred Harth, Paul Bley, Evan Parker, Joe und Mat Maneri, Robin Williamson und anderen. Seinen Einstand bei dem Label gab Barre aber 1971 mit dem wegweisenden Album "Music From Two Basses", auf dem er im Zusammenspiel mit Dave Holland zu hören war. 1983 erschien die gefeierte Solo-Aufnahme "Call Me When You Get There" mit Musik zu Filmen von Robert Frank. Wie breitgefächert das Genre von Solo-Bass und Bass-Ensembles inzwischen ist, erfährt man, wenn man im Internet einmal die Seiten von solodoublebass.blogspot.com besucht. Bevor Barre "Journal Violone" einspielte, gab es keine Alben mit Solo-Bass-Improvisationen. Heute gehen sie in die Hunderte. So dient "End To End" auch als zeitgemäße Erinnerung daran, wie einflussreich seine Bemühungen im musikalischen Untergrund waren.

Die Rolle des Basses und seine Emanzipation als Soloinstrument waren bei ECM über Jahrzehnte hinweg ein immer wiederkehrendes Thema. Einige wenige Beispiele dafür sind Dave Hollands "Emerald Tears", Gary Peacocks "December Poems", Miroslav Vitous' "Emergence", Eberhard Webers "Résumé" und unlängst Björn Meyers "Provenance". In den kommenden Monaten wird ein weiteres Album mit Bass-Schwerpunkt mit Kompositionen von Stefano Scodanibbio, gespielt von Daniele Roccato und dem Ludus Gravis Ensemble erscheinen. (Jazzecho)