So 26. Januar 2020
20:30

Maneri / Leandre / Cleaver (USA/F)

Mat Maneri: viola
Joëlle Leandre: bass
Gerald Cleaver: drums

Ein Hauch von Unwirklichkeit kennzeichnet die beste freie Improvisation. Die Veröffentlichung „An Air of Unreality“ – aufgenommen 2015 beim Vision Festival in der Judson Church in Manhattan – zählt definitiv zu den besten des Jahres. Zum Teil hat dieses Gefühl der Unwirklichkeit wohl damit zu tun, dass man Schönheit und Erfüllung in der Unsicherheit findet, was in der Realität oft nicht so leicht fällt; zum Teil mit Transzendenz – von Person wie Herkunft –, der Vorstellung vom Musiker, der hinter sein Instrument und seine Schöpfung zurücktritt. […] Joëlle Léandre, Mat Maneri und Gerald Cleaver als Bass, Viola und Schlagzeug – und dann in der Summe als etwas ganz Eigenes.
[…] Maneri and Léandre sind ein eingespieltes Team, keiner von ihnen fürchtet sich vor den Unwägbarkeiten, die sich da zwischen den Tönen auftun. Die mikrotonale Improvisation, die Maneri von seinem Vater übernommen hat, weist Parallelen zu den Modulationen vieler folkloristischer Musiken auf, und seine letzten Arbeiten mit dem Pianisten Lucian Ban scheinen diese Einflüsse in seinem Spiel noch verstärkt zu haben. Aus diesen tiefen kulturellen Quellen, der authentischen Musik des Geschichten-Erzählens, die oft von erstaunlicher Virtuosität ist, schöpft auch Léandre. „Unreal II“ entwickelt die mäandernde, melancholische Qualität einer rumänischen Doina, eines rhythmisch freien und weitestgehend improvisierten volkstümlichen Klagelieds.
Cleaver ergänzt die Streicher bestens. Die Zurückhaltung des kraftvollen und fast absurd wandlungsfähigen Drummers ist hier vorbildlich. Die meiste Zeit fokussiert er auf Klangfarbe und Akzente, die Palette voll mit Cymbals, Rasseln, Bells. Oft ahnt er voraus, was Léandre und Maneri betonen wollen und unterstreicht mit einem emphatischen Kick oder einem donnernden Tom-Hit. Dabei fürchtet er sich nicht davor, auch mal mit Kraft zu führen, um seine Kollegen in neue Richtungen zu treiben. […] (Dan Sorrells, Free Jazz Blog)