So 6. Dezember 2020
20:30

Johanna Orsini-Rosenberg & Paul Skrepek 'Konrad Bayer Chansons' (A)

Konrad Bayer Chansons und kosmisches Geknalle – Ein Konzert und eine Hommage an Bayers Sprachkunst und Stil
Paul Skrepek: Komposition, Kontragitarre, Gesang
Johanna Orsini-Rosenberg: Stimme
Emily Stewart: Violine
Marie Orsini-Rosenberg: Violoncello
Video von Angela Christlieb

Wir starten ca. 1/2 h vor Konzertbeginn den Live-Stream (Real-Time, nach Konzertende nicht mehr abrufbar!). Durch Klicken auf "Zum Livestream" öffnet sich ein Fenster, wo Sie kostenlos und ohne irgendeine Registrierung das Konzert miterleben können. Wir ersuchen Sie aber, dieses Projekt über "Pay as you wish" zu unterstützen. Vielen Dank & Willkommen im virtuellen Club!

Chansons und kosmisches Geknalle- Konrad Bayer

Konrad Bayers Literatur ist äußerst vielfältig. So ist nach dem Theaterstück „Auf der Suche nach dem sechsten sinn“ welches im Herbst 2018 im TAG Premiere hatte (Regie; Elisabeth Gabriel, mit Paul Skrepek und Johanna Orsini-Rosenberg) die Vinylplatte „Chansons „ entstanden, aus dieser wiederum hat sich die Idee zu konzertieren und ein weiterer Abend entwickelt, der sich ganz dem musikalischen Aspekt hingibt. Paul Skrepek hat die Chansons vertont (u.A. Die moritat vom tätowierten mädchen, glaubst i bin bled, le invocation du tlu ) Auch der eine oder andere Prosatext wird musikalisch zubereitet und womöglich hören wir das kosmische Geknalle wenn der Mond auf die Erde fällt. Ein Konzert und eine Hommage an Konrad Bayers Sprachkunst und Stil.

Das Melancholische, Fantastische aber auch Humorvolle und Rauschhafte von Konrad Bayers Texten wird zelebriert und die Schwerkraft möge sich aufheben.

„Weil die welt muss fantastisch sein weil sie ist dann besser“ (Konrad Bayer)

Am Anfang war die Begeisterung für die von Konrad Bayer wohl nicht von ungefähr so genannten „Chansons“ und das ungläubige Staunen darüber, dass erst zwei dieser wortgewaltigen Textminiaturen in Musik gesetzt waren: von der Worried Men Skiffle Group („Glaubst i bin bled“) und von Ronnie Urini („Niemand hilft mir“). Dann wurde Johanna Orsini-Rosenberg durch Elfriede Gerstl auf Bayer´s Kurzroman „der sechste sinn“ aufmerksam, und so kam es schließlich zur viel umjubelten Theaterproduktion „Auf der Suche nach dem sechsten Sinn“ im Theater an der Gumpendorferstraße. Paul Skrepek hatte die „Chansons“ vertont und diese mit den Prosatexten im Verein mit Orsini-Rosenberg und der Regisseurin Elisabeth Gabriel zu einem virtuosen Kammerspiel verschmolzen. Macht es Sinn, die Chansons aus diesem konzisen, wohl austarierten Zwei-Personen-Theaterabend herauszulösen und auf Vinyl zu pressen? Ja, sage ich, und was für einen!

Schon der rockige Opener „I never knew“ zieht einen hinein in das Bayer´sche Grusel-, Liebes-, Freuden-, Mörder-, Weltenkabinett: „devilish darling, devilish cruel, devilish music“. Wie wahr, vor allem Letzteres: die Musik ist teuflisch gut. Da haben sich zwei gefunden, und das gleich in doppeltem Sinn. Bayer und Skrepek als seelenverwandte Hervorbringer, Skrepek und Orsini-Rosenberg als kongeniale Interpreten. Wenn in „Here is the cage of my Love“ die schwebenden, an Ralph Towner gemahnenden Gitarrenflageolets von einem mächtigen Beckencrescendo in einen hymnischen Gesang hineingetragen werden, wenn in „Für Judith“ ein wenig Hildegard Knef Melancholie wie beiläufig vorbei schaut, wenn bei „Invocation et miracle du tlu“ auf einmal französische Leichtigkeit mit einem Schuss Birkin/Gainsbourg um die Ecke kommt, dann staunt man, wie scheinbar einfach und raffiniert das geht, und weiß natürlich, dass gerade das Leichte schwer zu bekommen ist. Das klingt ein wenig nach stilistischer Gemischtwarenhandlung. Ist es auch, aber es passt Alles wunderbar zusammen, selbst ein experimenteller Text wie „Karl“, atemberaubend mit freejazziger Unterlage dargeboten, findet einen guten Platz im Geschäftsregal. Wenn sich mit „I never knew“ in einer Slowmotion Version der Bogen schließt und zuletzt deutlich hörbar ein Drink eingegossen, eine Zigarette angezündet wird (von wem wohl?), ist gar nicht viel Zeit vergangen, aber man hat eine Menge erlebt und sagt zu sich: ja, so ist es, mein Leben, das da draußen, und das in meinem Kopf. Und dann kommt über knisterndem Vinylabspielkaminfeuer noch eine kleine Zugabe daher: „Weil die Welt muss fantastisch sein“. Jawohl, muss sie, ist sie. Ist sie? (Oskar Aichinger)