Jeunesse – JazzAlive!
Es ist durchaus legitim, „JazzAlive!“ im Lichte der Hegelschen Dialektik zu betrachten, wenn die Jeunesse ihre beiden über viele Jahre erfolgreichen Reihen „All that Jazz“ und „Jazz & beyond“ zusammenlegt und dabei auch auf den Mehrwert von joined forces setzt. Und so werden im neuen Zyklus also weder Traditionen negiert, noch wird die Gegenwart außer Acht gelassen. Vielmehr stehen Produktionen im Zentrum der Höraufmerksamkeit, die Geschichte und Aufbruch umfassen, sie aktuell formulieren, gegenwärtig hörbar machen und auf ein größeres Ganzes auch im eigenen (Selbst-)Verständnis zielen.
Exemplarisch mag dazu der deutsche Kontrabassist Sebastian Gramms zitiert werden: „Wir laden die Hörer ein, indem wir an Vertrautes anknüpfen“, beschreibt er den Ausgangspunkt von „Slowfox“, von dem aus das Trio eine kammermusikalische Ästhetik des Nachspürens entwickelt und sich auf Pfade feinsinniger Tiefe begibt, in der es viel zu entdecken gibt: harmonische Raffinesse, elegante Klangideen, subtile Imaginationskraft, Musik für Intellekt wie Herz. Als Klangmagier, der sein Instrument in eine „speaking entity of magnetic pull“, also eine lebendig sprechende Entität mit unwiderstehlicher Anziehungskraft, zu verwandeln weiß, gilt Stephan Crump. Dies ist nicht zuletzt auch seinen perfekt gesetzten und auch mit seinen High-End-Mitmusikern berückend umgesetzten Kompositionen für „Rhombal“ geschuldet: “solemn, spiritual, ultimately, celebratory”. Workoholic Kalle Kalima beschäftigt sich nebst Komposition, Pop, Alter Musik, … und natürlich Jazz gerne mit Filmen – aber nicht mit Filmmusik. So lauten Titel seines Bandprojekts „K-18“ „Some Kubricks of Blood“ oder „Buñuel de Jour“, die Musik changiert pittoresk zwischen Jazz, zeitgenössischer Musik bis hin zu Avant-Rock und hält auch lyrische Momente wie etwa bei „Alvin Straight“ bereit. Film ab für die Ohren! Mit liebevollem Augenzwinkern wie Hochachtung und jeder Menge eigenem Vergnügen nähern sich sodann zwei weitere Acts dem Jazz. Schon der Name steht bei „Die Hochstapler“ für ihren Umgang mit der Tradition: Komplexlose Ironie. Lichtgestalten der Avantgarde wie Braxton oder Ornette Coleman dienen als Ausgangspunkt für ihren eigenen, spannenden und humorvollen Diskurs, der die Vorgänger ehrt, indem er sie gleich auch wieder überwindet. Gleichsam nonchalant wie punktgenau geht auch „Die Enttäuschung“ an den Jazz heran. Bert Noglik attestierte ihrem Postbop einen Spirit, wie ihn zuletzt Monk, Dolphy oder Coleman frisch versprühten. Eine Band für Anfänger wie Fortgeschrittene! Als Bonus für alle Abonnenten kann darüber hinaus noch ein Abend des zweitägigen Jeunesse-Specials rund um Lukas König gewählt werden. Jeweils drei Projekte pro langem Abend lassen dabei die Vielseitigkeit dieses österreichischen Ausnahmemusikers erahnen.
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