Portrait Ewald Oberleitner
28.9.bis 30.9.2018 Portrait Ewald Oberleitner
Als wir dem besonnenen Jazzmusiker das erste Jubelporträt widmeten, war dieser noch um fünf Jahre jünger als unsereins heute. Zu seinem 50er hatte uns der Herr mit dem archaischen Lächeln schon damals in den Notizblock diktiert, dass er sich deshalb nie um eine eigene Band gekümmert habe, weil "das zu viel Stress beim Organisieren" sei.
In der Zwischenzeit sollen angeblich 25 Jahre ins Land gezogen sein, und an Ewald Oberleitners Aussehen und Grundsatz hat sich noch immer nichts geändert. Langsam müssen wir uns wohl damit abfinden, dass es auch im nächsten Vierteljahrhundert kein Ewald Oberleitner Quartett oder Quintett oder was sonst noch geben wird.
Aber bei der nicht enden wollenden Liste an Musikern, mit denen er seit dem 16. Dezember 1957 - dem Tag, an dem Ewald Oberleitner in irgendeiner Münchener Bar durch eine glückliche Fügung Bassist geworden ist - zusammengespielt hat, wäre sich auch wohl kaum eine eigene Band ausgegangen.
Nicht zu vergessen all die Spiele von Sturm Graz, denen er zwischendurch als bekennender Anhänger unbedingt beiwohnen musste.
Nein, nein, seine untrügerische Individualität hat er indes ganz in den Dienst der Integration des jeweiligen Genres gestellt, das um seine Gunst bat. Nichts war ihm je zu fremd, nichts je zu fern, um es musikalisch auszukundschaften. Vom Dixieland über Hardbop bis zum Free Jazz, vom Duo bis zur Big Band hat der 75-jährige Bassvirtuose alles und überall gespielt. Halt! Nur Funkmusic, diesen knackigen, slappigen E-Bass, davor hat er sich stets erfolgreich gedrückt.
Jazzgeschichtlich bedeutender ist es freilich, dass Ewald Oberleitner schon Anfang der Siebziger zusammen mit Dieter Glawischnig und John Preininger begann, im legendären Trio "The Neighbours" die tradierten Strukturen des Jazz aufzubrechen und für internationale Furore zu sorgen. Dort, im freien Spiel der reinen Improvisation, fühlt sich der gebürtige Leobener bis heute auch so richtig zu Hause. (Otmar Klammer, 2012)
Geboren am 4. November 1937 in Leoben, studierte Ewald Oberleitner in München und Graz Klarinette, Schlagzeug und Kontrabass, und wurde seit den späten 1959er Jahren Mitbegründer und Bassist zahlreicher Grazer Jazzgruppen. Seit 1973 war er Lehrer an der Jazzabteilung der Grazer Kunst-Universität und hat unzählige junge MusikerInnen betreut und musikalisch gefördert. Am Institut für Jazzforschung an der KUG ist er immer noch mit Archiv-und Bibliotheksarbeiten beschäftigt.
International bekannt geworden ist Oberleitner vor allem mit den 'Neighbours' (seit 1974, mit Dieter Glawischnig und John Preininger) und im Karl-Heinz Miklin Trio (seit 1978). Konzerte und Rundfunk/TV-Produktionen führten ihn in fast alle europäischen Länder, nach Nord-Süd-und Lateinamerika, Afrika, Indien, Malaysia, Indonesien, Russland und China, wobei er auch immer wieder in großer stilistischer Breite mit vielen Größen der Szene zusammengearbeitet hat, mit Anthony Braxton, Fred Anderson, Chet Baker, Art Farmer, Albert Mangelsdorff, Gerd Dudek, Manfred Schoof, John Surman, Wolfgang Puschnig, Eje Thelin, Herb Ellis, Sheila Jordan, Jay Clayton, Paul Bley, Karl Berger, Werner Pirchner, Harald Pepl, Mark Murphy, Ellis Marsalis u.a.
Zahlreiche Auszeichnungen und Anerkennungen unterstreichen seine Bedeutung als Musiker: 1. Preis beim Wiener Jazz-Festival mit dem Christian Schulze Trio 1967, Landesmusikpreis des Landes Steiermark (Joseph Marx-Preis) mit der Gruppe 'Neighbours' 1983, 1985 von den Lesern der Zeitschrift 'Jazz-Life' zum besten Bassisten Österreichs gewählt, Grosser Josef-Krainer-Preis mit dem Karl-Heinz Miklin Trio 2000, Bata Anastasiewic-Preis der Stadt Nis im Jahr 2004. Sein in allen musikalischen Zusammenhängen immer kreatives und kenntnisreich fundiertes Bass-Spiel, vom swingenden Drive und von einfühlsamer mitgestaltender freier Interaktion bis hin zu perkussiven, auch geräuschhaften 'dramaturgischen Explosionen' ist auf rund 20 LP's und 40 CD's zu hören.
Derzeit ist Ewald Oberleitner, wie immer schon, in diversen musikalischen Formationen mit voller Schaffenskraft aktiv, mit dem Karl-Heinz Miklin Trio, den ('Rest'-) 'Neighbours', mit Bernd Luef, den 'Murwater Ramblers', mit 'Los Serenos', im Duo mit dem Akkordeonisten Jure Tori und mit der Fusionband 'TriJazz'. Wahrlich ein weites Feld! Chapeau! (Dieter Glawischnig, 2006)
P.S. Lieber Ewald, lieber Freund! Beim Verfassen obiger beeindruckender trockener Fakten- musste schon sein - ist mir viel in der Erinnerung aufgetaucht. Fast ein halbes Jahrhundert haben wir gemeinsam musiziert, beginnend Ende der 50er Jahre im Duo mit unserem 'motivisch und formal gebundenen Free Jazz', wie wir es nannten (wir waren damals die Exoten bei den Jazzkonzerten des Jazzinstituts), dann mit John Preininger unsere 'Neighbours'! Habe eben in John's akribischer Dokumentation '10 Jahre Neighbours' geblättert, was da alles drin steht! Erinnerst Du auch unsere erste wochenlange, in naiver Weise selbst organisierte Tour durch einige Länder Südamerikas, die Probleme bei den Grenzübergängen mit unseren 10 Kisten und vor allem mit unseren lokalen Managern? Einer ließ uns vom Flugplatz in Buenos Aires von einem 50-sitzigen Bus abholen und hat gleich mal (damals horrende) 50 $ kassiert, usw.usw. Das zweite Mal unter der Patronanz der Österreichischen Kulturinstitute war dann alles prima. Eine Bandgeschichte ist irgendwann fällig.
Ich bedaure sehr, dass wir nach meinem 'Abflug' nach Hamburg in den 80ern weniger miteinander musizieren konnten. Wenn aber, dann war es für mich wie früher, die räumliche Trennung hat unserem Kommunikationsfluss und unserer Freundschaft nichts antun können. Es war auch so im vergangenen Mai in Rudersdorf bei Deinem vorgezogenen Geburtstagsfestival, wie immer von Udo Preis liebevoll organisiert, unser Trio EDO mit Hamid Drake war ein ganz besonderer Genuss für mich. Da ich im nächsten Jahr selbst auch in den Rat der weisen Männer aufsteigen werde, wird sich in Rudersdorf wohl wieder die Gelegenheit ergeben, ausführlich gemeinsam was zu machen, ich freu mich schon darauf! Und unser familiäres Weihnachtskonzert bei der Anni im Babenberger Hof in Graz wird natürlich fortgeführt, einverstanden?
I love you madly, Dein Dieter
P.P.S. Vergessen hab ich, dass ich von allen Musikern, die mit Dir spielen konnten, erfahren habe, dass sie Dich als ruhigsten, verlässichsten, korrektesten, liebevollsten Musiker auf dem ganzen Globus einschätzen - ganz abgesehen von Deiner musikalischen Kompetenz. Ich korrigiere mich: WE ALL love you madly.
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