Thu Sept. 8, 2022
18:00

Peter Ketturkat 'Die Seele der Dinge' – Werkzeuge, Materialien und Spuren der Zeit

Skulpturen von Peter Ketturkat vom Verein zur Rettung der Dinge. (Wien)

Ausstellungsdauer: 9. bis 30. September 2022

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Die Seele der Dinge.
Eine Materialinstallation aus Stein, Eisen und Holz.

• Das Werkzeug zur Bearbeitung des Bodens in den Weingärten war die Weinbergshacke.
Diese Weinbergshacken wurden in erster Linie von lokalen Dorf-schmieden hergestellt. Ab dem 19. JHD aber auch seriell von Werk-zeugfabriken der stahlverarbeitenden Industrie.
War das Werkzeug gut, begleitete es den Winzer sein Leben lang. Und die Gewohnheiten und Neigungen des Winzers spiegelten sich in den Veränderungen des Eisens über die Jahre. Es nutzte sich links oder rechts ab, je nach Gebrauch, und je nach Untergrund, wie Zähne bei einem alten Gaul.
Zuweilen zerbrach es, und wenn der Dorfschmied ein Fachmann war, war er in der Lage, das Ding zu reparieren.
Diese Hacke wurde zu einem Zeugnis von Zeit und Raum, von Indi-viduum und Geschichte, von Biographie und Geographie. Man be-müht heute Forensiker, um die Geschichte der Dinge zu erzählen. Die finden Mineralien, Farbstoffe, Fasern und
Kohlenstoffverfallsprodukte an den Dingen und benennen Raum und Zeit, Umgebung und Alter.
Der Stiel der Hacken, in der Regel aus Eschenholz, war meistens nur noch als abgebrochener Rest in der Seele der Hacke vorhanden. Die Seele - das ist die Leere der Dinge, das Loch im Rad, durch das die Achse geht, das Loch im Lauf des Gewehrs, durch das die Kugel rast, die leere Mitte des Korkenziehers, die Fassung für den Stiel der Werkzeuge, der die menschliche Hand mit der Axt, der Schau-fel, dem Hammer oder eben der Hacke verbindet. Wäre da nicht der Holzstiel, wären diese Eisenteile nutzlos. Und würde niemand diese Stiele mit den Händen bewegen, würden sie nur in den Ecken ruhen.
Sicherlich sind die gebrochenen Stiele in den Eisen ein Ausdruck von Ende und Scheitern, ist das Teil aber einmal gesäubert, entros-tet und in seiner Form an sich präsentiert, ruft die Öffnung, die Leere, die Seele, da wo der Stiel einmal war, nach Erfüllung.
Einen neuen Stiel einzusetzen wäre denkbar, doch was soll der Stiel, wenn die Hacke doch nicht mehr genutzt wird.
Auch wäre möglich, die Hacken, so wie sie sind, an die Wand zu hängen, wie es zuweilen in Weinmuseen geschieht, wo Werkzeuge und Geräte des Weinbaus aller Art, von Zeit zu Zeit entstaubt, aus-gestellt werden.
Für mich rufen die Hacken und ihre Leere nach Erfüllung, nach dem imaginären Gesicht des Winzers, denn sie sind doch immer eins mit ihm gewesen.
So habe ich mir Lindenholz besorgt und diese Leere ausgefüllt.
Auch das Material Ton wäre denkbar gewesen, weil die Hacke doch immer diese Nähe zur Erde hatte.
Aber ich habe mich für Holz entschieden, weil doch immer Holz - durch den Stiel - die Verbindung der Hacke zum Menschen war. (Peter Ketturkat)

In den Vitrinen

Ikonen des Schweigens.

• Nur noch Initialen erinnern an Menschen aus Fleisch und Blut.
Auf bleiernem Grund stehen goldfarbene Lettern. Das Bleierne, Saturnische bezeichnet allgemein das Ende der Welt, das Goldene das Leuchten der ewigen Sonne.
Ausgehend von den Formen verwitterter Grabstelen des 19. Jahrhunderts auf einem jüdischen Friedhof in Beilstein an der Mosel, den keiner mehr pflegt, habe ich eine Serie von Ikonen geschaffen, in denen ich die Trauer über den Verlust unzähliger Mitmenschen, gepaart mit dem Wissen um die Unsterblichkeit ihres Geistes, zum Ausdruck bringen will.
Blei und Gold sind bei dieser Arbeit meine bevorzugten Materialien, weil sie endliches Scheitern und ewiges Leuchten allein durch ihre Wesenheit ausdrücken. (Peter Ketturkat)

Stiegenabgangswand

Figuren aus dem Theaterstück: „David und Goliath“
Ein visuelles Poem aus dem Morgengrauen der Eisenzeit.

• Noch heute, fast 3000 Jahre nachdem sie sich zutrug , hat die Geschichte von David und Goli-ath an Aktualität nichts verloren. Sie macht den Schwachen, Kleinen und Geringen immer noch Mut, gegen Großes und Übermächtiges zu bestehen. Denn wie im Märchen siegt die List und Zuversicht gegen die brachiale Gewalt. Dass die Geschicht zu Beginn des Eisenzeitalters spielt – Goliath ist mit den damals neuen eisernen Waffen ausgerüstet –verleiht der Erzäh-lung heute, am Ende desselben, einen besonderen Reiz.
Zeigte sie schon damals , daß Technologie kein Ersatz ist für Naturnähe und Poesie.
Die Geschichte wird erzählt in bester orientalischer Tradition und illustriert von getriebenen Standartenfiguren aus Kupfer, Bronze, Eisen und Silber, nach 3000 Jahre alten Entwürfen von unbekannten Meistern des vorderen Orients. (Peter Ketturkat)