Fri Jan. 30, 2004
20:00

Tied & Tickled Trio Big Band

Johannes Enders: tenorsaxophone, flute, piano
Ulrich Wangenheim: bassclarinet,flute
Stefan Schreiber: tenorsaxophone, clarinet
Gerhard Gschlößl: trombone
Leo Gmelch: tuba, bass-trombone
Andreas Gerth: electronics, processing
Roberto di Goia: piano, organ
Micha Acher: e-bass, trumpet, piano, organ, conducting
Robert Klinger: double bass
Carl Oesterheld: percussion
Saam Schlamminger: zarb
Markus Acher: drums, percussion, sampler, turntables
Caspar Brandner: electronic percussion

Sorry this part has no English translation

1994 wurde das Tied & Tickled Trio von Markus Acher und Casper Brandner in Weilheim als reines Schlagzeug-Duo gegründet. Anlässlich einer Austellung des Bildhauers (und später dann auch umtriebigen Musikers) Andreas Gerth, gesellte sich eben dieser mit einigem elektronischen Equipment sowie Markus’ Bruder Micha am Bass hinzu. Alles, was das Tied & Tickled Trio später ausmachen sollte, war in diesem Nukleus bereits angelegt: Es ging um Rhythmus, Dynamik, Improvisation und das Auf- und Abbauen von Intensitäten.
Auch wenn diese Eigenschaften durch die Bank weg kennzeichnende Merkmale des Jazz sind, hatte das Ur-Trio noch herzlich wenig damit zu tun. Es bedurfte noch einiger Zeit, bis alle Beteiligten aus ihrem schon damals stark ausgeprägten Interesse an Musik, die nicht in direktem Zusammenhang zum Indieversum von The Notwist und Co. stand, auch tatsächlich ein Bedürfnis entwicklen konnten, sich dieser Musik mit ihren Mitteln und Eigenschaften zu nähern. Geholfen hat dabei mit Sicherheit der Kontakt zu Johannes Enders, ein ebenfalls aus Weilheim stammender Jazz-Saxofonist mit Konservatoriumshintergrund. Außerdem waren die Acher-Brüder ja schon längst in der Dixie-Band ihres Vaters tätig. Micha Acher studierte sogar Jazz-Trompete, biss sich allerdings an verknöcherten Dogmen und Strukturen die Zähne aus, bis er schließlich aus dem Konservatorium flog.
In der Zwischenzeit war Ulrich Wangenheim und weitere, häufig wechselnde Gastmusiker zum T+TT hinzugekommen. In dieser Besetzung nahmen sie 1996 ihr schlicht „Tied & Tickled Trio“ betiteltes Debütalbum für Payola auf. Das Tor zur Referenzhölle tat sich auf! Der Versuch der Presse, dem unabstreitbar neuen Sound des Tied & Tickled Trios beizukommen, führte in den meisten Fällen zu einem Geflecht von in alle Richtungen verweisende Vergleichen. Plötzlich sah sich das Sextett in Zusammenhänge gestellt, die von der Postrock-Szene Chicagos, über Adrian Sherwoods On-U Sound bis hin zu Miles Davis, John Coltrane oder Herbie Hancock reichte. Mit Sicherheit sehr schmeichelhaft und zutreffend, aber auch nicht unproblematisch, wenn man bedenkt, dass es den Musikern in erster Linie um einen spontanen, intuitiv geleiteten Ansatz frei von Dogmen ging, der emotional an die DIY-Tradition des Punk und Hardcore gebunden war. In der Rückschau beurteilt das Tied & Tickled Trio sein Debütalbum als „sehr drauf los“, weil sie versuchten, das Geflecht ihrer Einflüsse irgendwie zu kombinieren. Es wurde viel improvisiert, im Studio Spuren angehäuft und mit Zufällen kokettiert. Für ihren Zweitling „EA1 EA2“ (1999, ebenfalls auf Payola) unternahm die Band dann den Versuch, sich stärker zu disziplinieren bzw. zu kontrollieren. Nach eigenen Aussagen führte dies dazu, dass sich das Tied & Tickled Trio während der Aufnahmen zu sehr in Details verlor und ihren Sound soweit schliffen, dass sie ihnen im Nachhinein etwas „zu schön“ vorkommt. Das Rauhe und Ungestüme des Debüts wich einer Kühle, die Kritiker zum Anlass nahmen, das Tied & Tickled Trio in dieser Phase mit dem Cool Jazz eines Miles Davis zu vergleichen.
Nachdem im Jahr 2000 Remixe des „EA1 EA2“-Albums auf Morr Music erschienen – u.a. mit Bearbeitungen von Opiate, Thomas Brinkmann und Console – legte das Tied & Tickled Trio 2001 „Electric Avenue Tapes“ (Clearspot) vor. Dabei handelt es sich um eine Live-Aufnahme aus dem Hamburger Westwerk, das von Tobias Levin abgemischt wurde. Dieser Schritt war nur logisch, unterscheidet sich die Arbeit der Band im Studio doch maßgeblich von der auf der Bühne. Hier stehen Unmittelbarkeit, Improvisation und Intensität so weit im Vordergrund, dass kein T+TT-Konzert dem anderen gleicht.
Die positiven Erfahrungen mit und durch „Electric Avenue Tapes“ hat die Band dazu veranlasst, für ihr im September 2003 auf Morr Music erscheinendes Album „Observing Systems“ auch im Studio wieder vermehrt auf die Live-Aspekte ihres Schaffens zu setzen. Mittlerweile ist das Tied & Tickled Trio zu einem zwölfköpfigen Kollektiv herangewachsen, das weite Teile ihrer vierten LP live im Studio eingespielt hat. Zwischen den Koordinaten Sun Ra, J. Coltrane („Africa Brass“), Herbie Hancock („Sextant“), African Headcharge und Pharoah Sanders, die alle Mitglieder immer wieder als wichtigste Einflüsse anerkennen, hat sich auf diesem Album die von vielen HipHop-Produktionenen bekannte, Collagenhaftigkeit als ein bestimmendes Stilelement erwiesen.
Auf der Bühne gibt es das Tied & Tickled Trio nun auch in zwei Versionen: Version 1 besteht weiterhin aus sechs Personen, deren Fokus auf den elektronischeren Aspekten der Band liegt. Version 2 besteht aus allen zwölf, an der Produktion von „Observing Systems“ Beteiligten. Diese Variante bietet live das gesamte Spektrum, das das Tied & Tickled Trio zu bieten hat.