Mon Oct. 18, 2004
20:00

John Tchicai Trio „Peter Niklas Wilson Memorial Tour“ (USA/POL/SA)

John Tchicai: saxophone
Witold Rek: bass
Makaya Ntshoko: drums

Sorry this part has no English translation

„Immer wenn man über Musik spricht, benutzt man entweder technische Begriffe, oder man spricht über Feelings. Aber ich glaube, man lässt dabei etwas aus. Im Jazz spricht man ganz selten darüber, ob die Musik spirituell ist oder nicht.“ (John Tchicai)
„Wien, du hast es besser. Das Porgy & Bess ist einer der Gründe, warum ich aus Hamburg einigermaßen neidisch an die Donau blicke: ein Jazzclub mit einem Programm, das improvisierte Musik von den populären bis zu den esoterischen Spielarten umfasst (und mehr!); ein Jazzclub mit Stil, in den man gerne geht, ohne für den Musikgenuss sogleich durch ein muffiges Ambiente bestraft zu werden; ein Jazzclub von Weltformat, in dem aber dennoch die Musik die erste Geige spielt und nicht die Gastronomie. Wo gäbe es das sonst? In Hamburg sicher nicht. Und wenn mir wieder trübe Gedanken über die Gesundheit der guten alten Dame Jazz kommen, genügt meist ein Blick ins P&B-Programm, um mich beruhigen: Jazz is alive and well. Zumindest in der Riemergasse im 1. Bezirk Wiens.“ (Peter Niklas Wilson, anlässlich 10 Jahre P&B)
Peter Niklas Wison war ein Musikwissenschaftler, Publizist und Kontrabassist. Eigentlich war für das Frühjahr 2004 eine Aufnahmesession mit dem John Tchicai Trio geplant, die wegen des plötzlichen Todes des erst 46 Jahre alten Musikers im September letzten Jahres nicht mehr zustande kam. Stattdessen findet diese Aufnahmesession nun mit Vitold Rek statt und die ganze Tournee ist diesem Musiker gewidmet.
John Tchicai hat Jazzgeschichte geschrieben. Der polyglotte Sohn einer dänischen Mutter und eines kongolesischen Vaters, 1936 in Kopenhagen geboren, wurde in den 60er Jahren zu einer herausragenden Figuren der amerikanischen Jazz-Avantgarde-Szene. Er zog nach New York und wirkte schon in den folgenden vier Jahren auf immerhin elf Alben mit, darunter stilistische Meilensteine wie „Ascension“ mit John Coltrane und „New York Eye and Ear Control“ mit Albert Ayler. Er gründete das „New York Art Quartet“ (mit dem er u.a. zusammen mit dem afroamerikanischen Poeten LeRoi Jones / Amiri Baraka auftrat) und die „New York Contemporary Five“ zusammen mit Archie Shepp. Zugleich war er Mitglied der „Jazz Composers Guild“, einer der wichtigsten Musikerinitiativen des „New Thing“ der 60er Jahre. 1966 kehrte Tchicai nach Dänemark zurück, arbeitete die nächsten zwei Jahrzehnte in Europa. 1991 zog er nach Kalifornien, wo er ein paar Jahre musizierte, lehrte und komponierte. Neben den schon genannten Musikern wirkte John Tchicai u.a. in Projekten so unterschiedlicher Musiker mit wie Don Cherry, John Lennon/Yoko Ono, Johnny Dyani, Roswell Rudd, Dollar Brand, Makaya Ntshoko, Carla and Paul Bley, Lee Konitz, Cecil Taylor, aber auch Pierre Dørge, Karl Berger, Vitold Rek, Misha Mengelberg, Irene Schweizer und vielen anderen. John Tchicai lebt heute in Frankreich.
Ich lernte Peter Niklas Wilson Anfang der 90er Jahre bei einem Symposium in Saalfelden persönlich kennen. Gekannt und geschätzt habe ich ihn schon viel früher: nicht als Musiker (diese Seite „entdeckte“ ich erst später), aber als Journalist und Autor. Wilson war ein Denker, der seine Gedanken zu Papier brachte, ohne dass sich Wissen und Gewissen im Wege standen und sich Komplexität und Humor nebeneinander ausgingen, und ohne dass das eine auf Kosten des anderen zu kurz kam. Mit Büchern über Sonny Rollins, Ornette Coleman, Anthony Braxton ... und verschiedensten musikwissenschaftlichen Arbeiten schuf er sich den Ruf einer intellektuellen Instanz. Peter Niklas Wilson stand leider nie auf der P&B Bühne, wiewohl er selber sehr auf das P&B „stand“. Sein „Spirit“ wird da sein, ganz besonders an diesem Abend - und immer bleiben! CH