Thu Jan. 13, 2005
20:00
Step across the border: BULGARIA

Theodosii Spassov Solo & Quintet

Theodosii Spassov: kaval, vocals
Mihail Yossifov: trumpet
Rumen Toskov: piano
Peju Peev: gadulka
Hristo Yotzov: drums

Sorry this part has no English translation

„Wenn man mir damals auf der Folklore-Schule gesagt hätte: Du wirst einmal Jazz spielen, hätte ich mich totgelacht.“ (Theodosii Spassov)
Theodossii Spassov spielt auf dem Kaval Töne, die niemand sonst spielen kann. „Im Westen denken viele Leute, so wie ich Kaval spiele, werde diese Flöte herkömmlicherweise in Bulgarien gespielt“, sagt er: „Das ist aber nicht der Fall. Wenn man einen bulgarischen Kavalspieler danach fragen würde, wie man die Sachen macht, die ich spiele, dann könnte der nicht sagen wie das geht. Das Kaval-Spiel ist gewöhnlicherweise ziemlich streng. Ich spiele die Flöte offener.“
Im Laufe der Zeit hat Theodosii eigene Grifftechiken und Ansatzweisen entwickelt, die von der traditionellen bulgarischen Spielart abweichen. „Im Zusammenspiel mit Jazzmusikern merkte ich, daß mein Instrument - so wie es genutzt wurde - limitiert ist. Wenn ich mit den Musikern nicht nur spielen, sondern auch kommunizieren wollte, dann mußte ich das Kavalspiel erweitern. Ich war gezwungen, ein neue Spielweise zu entwickeln.“
Während der Kaval in der bulgarischen Folklore überwiegend diatonisch gespielt wird, hat Spassov das Instrument systematisch chromatisiert, um es für andere musikalische Kontexte - Jazz und sinfonische Musik - dialogfähig zu manchen. Auch verändert er durch spezielle Ansatz- und Grifftechniken das Timbre seines Instruments, so daß es manchmal eine klarinettenhafte oder saxophonartige Klangfarbe annimmt. Und Spassov intensiviert das Kaval-Spiel, indem er es - durch das gleichzeitige Hineinsingen in das Instrument - vokalisiert. Als er 1984 in Griechenland auf Tournee war, kamen einige Fans begeistert zu ihm und meinten: „Du spielst wie Ian Anderson von Jethro Tull'.“ Aber Theodosii wußte damals noch gar nicht, wer Jethro Tull war. „Erst später habe ich Kassetten von Ian Anderson gehört.“
Zwar kommt das Singen durch das Instrument auch in der traditionellen bulgarischen Musik vor. Aber während solche Passagen dort kleine Bruchstücke ausmachen, die in ausgewählten Momenten („wie Pfeffer auf einem Gericht“ sagt Theodosii) auftreten, hat Spassov diese Technik so sehr ausgebaut und intensiviert, daß sie einen selbstständigen Teil seiner Musik ausmacht. Durch diese und andere Neuerungen hat Theodosii Spassov aus dem Kaval, einem ursprünglich sanften, milden Instrument ein flexibles, kraftvolles - im Jazzsinne dialogfähiges Soloinstrument - gemacht.
Dabei kam er erst vergleichsweise spät, mit 10 Jahren (als sein Vater eine Schule gründete) zum Kavalspiel. An einer Folklore-Schule in Kotel hat Spasssov systematisch das Folklore-Spiel erlernt. Später setzte er in Plovtiv an der Akademie für Musik und Tanzkunst seine Studien fort.
Zwei Ereignisse öffneten dem Folklore-Studenten das Tor zum Jazz. Ein Studienfreund brachte ihm erste Kassetten - Musik von Sarah Vaughan, Wayne Shorter, Miles Davis und Charlie Parker - und gab ihm eigene Kompositionen zum Spielen. „In dem Moment, als die erste Kritik von der folkloristischen Seite kam, daß dies keine Folklore mehr sei, war ich schon bereit diese Welt aufzugegeben.“
Zum anderen geriet Spassov unter den Einfluß des Tenorsaxophonisten Vesselin Nikolov. Nikolov, der lange Jahre in Polen gelebt und dort Aufnahmen mit Krysztof Komeda und Tomasz Stanko gemacht hatte, verfügte damals in Plovtiv über die Stellung eines Jazz-Gurus. Er nahm junge Musiker unter seine Fittiche und machte sie mit seinen Ideen, die der Jazz-Avantgarde nahestanden, vertraut.
Als 1990 der berühmte Pianist und Keyboarder Milcho Leviev aus seiner Wahlheimat USA zurückkehrte, wollten alle Jazzer aus Plovdiv mit dem legendären Keyboarder jammen. Auch Theodossii Spassov stand in der Reihe der Spielwilligen. Schon nach kurzer Zeit war klar: Leviev wollte weniger mit den Neoboppern, sondern unbedingt mit Spassov im Duo spielen. Und so mündete die musikalische Begegnung in ein vielbeachtetes Duo-Konzert in Sofia, von dem Fernseh- und Schallplattenaufnahmen gemacht wurden. Nach diesem Auftritt fragten Kritiker Milcho Leviev - der in Bulgarien eine unumstößliche Jazz-Autorität darstellt: „Was macht Spassov? Ist das nun Jazz? Oder ist das Folklore?.“ Darauf Leviev: „Wollt ihr mich zum Narren halten?. Er spielt keinen Jazz. Er spielt keine Folklore. Er spielt einfach gute Musik.“ Und plötzlich waren all' die Zweifel, ob diese Fusion nun wertvoll sei oder ob die bulgarische Folklore mit ihr verspotte werde, verstummt.
Seitdem hat Theodosii Spassov in der Band des aus Indien stammenden Perkussionisten Trilok Gurtu („The Glimpse“) ebenso international auf sich aufmerksam gemacht wie in Aufnahmen mit Albert Mangeldorff und dem Jazzensembe des Hessischen Rundfunks.
„All' mein Streben“, erklärt Theodosii, „ist es, eine eigene musikalische Identiät auszubilden und die improvisierte bulgarische Musik so weit zu treiben, daß sie gegenüber dem amerikanischen Jazz gleichberechtigt ist... Als ich 1983 begann, diese Art von Musik zu spielen, sagten viele: „Du spielst keinen Jazz. Das, was du machst, ist Folklore.“ Heute, nachdem ich Erfolg habe und international bekannt bin, kommen dieselben Leute zu mir und sagen stolz „Auch wir spielen Ethno-Jazz“. Dann aber muß ich ihnen antworten. „Ich spiele keinen Ethno-Jazz. Ich spiele eine moderne bulgarische Musik.“ (Günther Huesmann)