Thu Nov. 3, 2005
20:00

Dieter Glawischnig & NDR-Big Band play Gulda & Jandl (D/A/USA/GB)

Dietmar Mues: Sprecher
NDR Big Band
Dieter Glawischnig: leader
Thorsten Benkenstein, Ingolf Burkhardt, Claus Stötter, Michael Leuschner: trumpet
Fiete Felsch, Peter Bolte: alto saxophone
Christof Lauer, Lutz Büchner: tenor saxophone
Frank Delle: baritone saxophone
Joe Gallardo, Dan Gottshall, Stefan Lottermann: trombone
Ingo Lahme: bass trombone
Andy Schreiber: violin
Stephan Diez: guitar
Vladyslav Sendecki: piano
Lucas Lindholm: bass
John Marshall: drums
Marcio Doctor: percussion

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„Friedrich Gulda zum 75. Geburtstag“ (Big Band- und Klavierkompositionen von Friedrich Gulda)
Friedrich Gulda studiert in der Meisterklasse Bruno Seidlhofers in Wien und gewinnt 1946 mit 16 den ersten Preis beim Internationalen Wettbewerb in Genf. Mit 20 debütiert er in der Carnegie Hall und startet eine beispielhafte Weltkarriere als klassischer Pianist. Seine Einspielungen gelten als Meilensteine, seine Favoriten sind Mozart, Beethoven, Schubert, Bach, Chopin, Debussy und Ravel.
Mitte der 50er Jahre beginnt er in den USA mit Jazzmusikern wie Dizzy Gillespie und Phil Woods zu spielen und setzt sich Zeit seines Lebens vehement für die Anerkennung des Jazz als wichtigste Musik des 20. Jahrhunderts ein, sehr zum Missfallen der „verknöcherten akademischen Zunft“. Er verweigert Konventionen (kein altmodisches Frackgetue, Solo-Konzerte ohne Programmangaben, aber immer eigene Jazz-Kompositionen dabei); in radikaler Subjektivität retourniert er mit einer Schmährede den Beethoven-Ring.
Für sein Euro-Jazz-Orchester Anfang der 60er gewinnt er Freddie Hubbard, J.J. Johnson, Sahib Shihab, Kenny Wheeler, schreibt mehrsätzige Kompositionen in Anlehnung an klassische Sonaten- und Rondoformen. 1966 organisiert er einen Wettbewerb für Nachwuchsjazzer aus 24 Ländern (in der Jury Duke Ellington und Karl Böhm), dann auch Weltmusikfestivals in Ossiach, Viktring, Schloss Moosham und Salzburg. Als Sänger Golowin, mit schwarzer Perücke auf dem LP-Cover, nimmt er die Austro-Pop-Dialekt-Welle vorweg (herrliche Stücke zwischen entkitschtem Walzer und Blues). Er erweitert sein Instrumentarium, spielt auch Baritonsaxophon, E-Piano, präpariertes Clavichord, Krummhorn, Alt-und Blockflöte; er improvisiert auch „frei“ mit Anima, schockiert mit nackten TV-Events, goutiert die Techno-Szene als Partylöwe auf Ibiza.
Friedrich Gulda hat seinen Begriff von musikalischer Komplexität gelebt - ein Jahrhundert-Musiker. Sein vielleicht wichtigster Satz: „Spiele jeden Ton so, als ob es um dein Leben ginge.“ (Dieter Glawischnig)
„jedes ich nackt“ - Ernst Jandl zum 80. Geburtstag von Ernst Jandl (3 Komposition von Dieter Glawischnig nach Texten von Ernst Jandl)
Dass es schließlich nur eines, „dieses aber immer wieder, und auf immer neue Weise“ zu sagen gebe, hat mir Ernst Jandl seit unserer ersten Zusammenarbeit 1966 immer wieder eingetrichtert. „Jedes Ich Nackt“, vor allem mit seinen „Letzten Gedichten“, ist mein dritter Versuch, der Sprachgewalt und dem Gedankeninhalt meines Freundes gerecht zu werden. Dietmar Mues, von Jandl autorisiert, ist auf seine Weise unterwegs von Sprache zu Musik. Es ist die Vielgestaltigkeit in Jandls Werk, vom graphischen „Silbenschiss“ bis zu Texten in Normalsprache, die mich und meine improvisierenden Mitmusiker begeistern, sein Ansatz im konkreten Jetzt, von dem aus sich Weltbilder in Kompaktform entwickeln; nicht nur in seiner Liebe zum „beat“ war Ernst Jandl Vollblut-Jazzer. (Dieter Glawischnig)
Dieter Glawischnig hatte anlässlich seines 60. Geburtstages 1998 ein dreitägiges Portrait in der Spiegelgasse, u.a. mit Beteiligung der NDR-Big Band. Ein kurioses Unterfangen, musste doch, um der Großformation auch genügend Platz zu bieten, ca. 1/3 des Zuschauerraumes für Klavier, Vibraphone, Marimba etc. „geopfert“ werden (als Solist fungierte damals der kürzlich verstorbene Albert Mangelsdorff). Am Programm stand „Aus der Kürze des Lebens“ mit Ernst Jandl, der aber aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. An seiner statt wurde kurzfristig Dietmar Mues „nachbesetzt“. Jandl fand sich an diesem Tage trotzdem im Club ein - und verließ ihn nach dem Konzert mit der Gewissheit, dass sein Werk auch ohne seine Stimme weiterleben wird. Am nächsten Tag spielten die „Neighbours“ mit Glawischnig, Ewald Oberleitner und John Preininger - und als Gast (unangekündigt) Ernst Jandl, der es sich trotz angeschlagener Physis nicht nehmen ließ, seinem Freund auch auf der Bühne zu gratulieren. Ein unvergessliches Konzert! CH