Thu Sept. 28, 2006
20:00

Julia Hülsmann Trio & Daniel Mattar (D/I)

Julia Hülsmann: piano
Marc Muellbauer: bass
Heinrich Köbberling: drums
Daniel Mattar: vocals

Sorry this part has no English translation

Größere Gegensätze sind eigentlich kaum vorstellbar. Hier der Jazz, der sich als rauer Kumpane durch die Großstädte des 20. Jahrhunderts schlug. Da Emily Dickinson, die stille Lyrikerin aus einer calvinistischen Familie, die ihr gesamtes Leben zurückgezogen im ländlichen Amherst/Massachusetts verbrachte. Als Dickinson 1886 im Alter von 56 Jahren starb, war der Jazz noch nicht geboren. Sondern nur eine dunkle Ahnung, die über den schwülen Sümpfen des Mississippi-Deltas waberte. Passt das zueinander?
Gewiss. Es braucht für diese Zusammenführung allerdings ein seltenes Talent. Große Musikalität. Ein Gespür für Worte, Bilder und Stimmungen. Und ein Sinn für Melodien, die im Ohr hängen bleiben und doch das Herz rühren, auf diese spröde, geheimnisvolle Art, die Dickinson zueigen ist. Julia Hülsmann, die von der „Welt am Sonntag“ als „die derzeit bemerkenswerteste Pianistin der Jazz-Szene“ bezeichnet wird, verfügt über all diese Begabungen im Übermaß. Man weiß das, seitdem im Jahr 2003 ihre Debüt-Einspielung „Scattering Poems“ erschien. Der „sanfte Geniestreich“ (Rolling Stone), der Vertonungen von Gedichten des amerikanischen Avantgarde-Lyrikers E.E. Cummings barg, wurde mit dem deutschen Jazz Award ausgezeichnet. Auch mit dem Folge-Album, der Randy-Newman-Hommage „Come Closer“ gelang Hülsmann eine wunderbar schlüssige Fusion aus Text, Gegenwartsjazz und Pop. Kein Wunder, dass sich Julia Hülsmann mit Newman so wohl fühlte. Sie ist nämlich ebenfalls eine hervorragende Songwriterin.
Und es ist nicht das geringste Verdienst von „Good Morning Midnight“, dass Emily Dickinson plötzlich daherkommt wie eine Zeitgenossin des 21. Jahrhunderts. Hülsmann geht respektvoll und behutsam mit ihren formal strengen Gedichten um. Und findet doch genügend harmonische und rhythmische Reibungsflächen.
Das intensive Miteinander mit ihren Trio-Weggefährten Marc Muellbauer und Heinrich Köbberling ist eine von Hülsmanns wichtigsten musikalischen Konstanten. Neu hinzugekommen ist nun der Sänger Daniel Mattar, ein Virtuose am Mikrophon. Als er zum ersten Mal Hülsmanns Dickinson-Bearbeitungen hörte, war ihm klar: „Das ist ausgesprochen ungewöhnlich. So etwas habe ich noch nie gesungen“. All das schwingt nun in den Stimmbändern mit: Neugier und Zweifel, Überschwang und Introspektion, Instinkt und intellektuelle Zähmung. Es ist die adäquate Umsetzung der Dickinsonschen Lyrik, die die Natur und das Licht feiert – und doch dem Dunklen und dem Nachsinnen über die Vergänglichkeit so viel Raum gewährt. (Pressetext)