Fri Dec. 15, 2006
20:00
Night of the Handsemmel

Franz Koglmann & Oskar Aichinger „The Bridal Suite“ / Nagl - Wenger - Pirker „Market Rasen“ (A)

Tex Rubinowitz, Klaus Nüchtern: Rezitation
Franz Koglmann & Oskar Aichinger „The Bridal Suite
Franz Koglmann: trumpet, fluegelhorn
Oskar Aichinger: piano

Nagl - Wenger - Pirker „Market Rasen“
Max Nagl: saxophone
Clemens Wenger: keyboards
Herbert Pirker: drums

Sorry this part has no English translation

Franz Koglmann & Oskar Aichinger „The Bridal Suite
Begreift man Hollywood als eine Verbindung von Glamour, großen Gefühlen und Perfektion, dann verlegt Franz Koglmann das Genre in die abblätternden Kulissen Wiens. Auch die Melodien von Burt Bacharach spielt er im Duo mit dem denkenden Romantiker am Klavier, Oscar Aichinger, so langsam, so zart und verloren, dass sich die Stücke wie Erinnerungen lesen: The Look Of Love, Close To You, Walk On By. Als müsse er ständig überlegen, ob es sich bei aller Gebrochenheit noch lohne, sich zu einer Melodie aufzuschwingen. Doch wenn er spielt, klingt das Zögern vor der Schönheit wie die Schönheit selbst: Bridal Suite. Wer zu dieser Musik heiratet, kann nichts mehr falsch machen. (Konrad Heidkamp, Die Zeit)
Musik ist heute vielfach zum Hintergrundgeräusch verkommen. Die CD „The Bridal Suite“ kann man dagegen nur in Andacht und Hingabe hören. Sie ist den Kompositionen von Burt Bacharach gewidmet. Zwei Wiener Ausnahmemusiker, Oskar Aichinger am Klavier und Franz Koglmann am Flügelhorn, philosophieren über alle Facetten des Seins - romantisch, ironisch und melancholisch. Franz Koglmann präsentierte Mitte der 80er Jahre - angesichts des verblassenden Vorbilds des amerikanischen Jazz - seinen europäischen Gegenentwurf: eine Mischung aus der Zweiten Wiener Schule eines Webern und Berg, der Liebe zu Schubert und dem klanglichen Gestus des Cool Jazz. So der \\\\\\\"Zeit\\\\\\\"-Kritiker Konrad Heidkamp über den Komponisten Koglmann, der als Losung gern den kolumbianischen Dichter Nicolas Gómez Davila zitiert: „Die Echtheit des Gefühls hängt von der Klarheit der Idee ab.“ (Ernst A. Grandits, 3Sat)

Nagl - Wenger - Pirker „Market Rasen“
„Meine Basis ist die Popmusk, weil ich aber mit Jazz und Klassik aufgewachsen bin, drängen sich Elemente dieser Stile in meine kleinen Songs. Auch wenn ich Jazzmusiker beschäftige und an allerlei technischen Geräten herummache, bin ich im Grunde nicht sehr gut ausgebildet. Ich bin halt nur ein englischer Popmusiker.“ (Robert Wyatt)
Seit 1970 hat der rauschebärtige Künstler 13 von der Kritik äußerst geschätzte Alben eingespielt. Nur wenigen gelingt es, Lieblichkeit und Widerborstigkeit, politische Losung und reine Poesie derart spannend zu verbinden. Seine Lieder werden gerne gecovert oder durch Jazzer neu gedeutet.
Vor einigen Jahren hat ihm der österreichische Elektronik-Musiker Christoph Kurzmann ein Album zugeeignet, nun ist Jazzsaxofonist Max Nagl dran. Market Rasen heißt das Opus, das heuer in Saalfelden vorgestellt wird. Angeregt hat es Klaus Nüchtern, im Brotberuf Kulturchef der Wiener Stadtzeitung „Falter“. Sein junges Label nennt sich nicht unknusprig Handsemmel Records. Nach dem Erfolg der ersten Handsemmel-Platte, Bridal Suite, einer eigenwilligen Burt-Bacharach-Tributeplatte von Oskar Aichinger und Franz Koglmann, stand nun Robert Wyatt im Fokus.
Für den 45-jährigen, stark vom britischen Saxofonisten Lol Coxhill beeinflussten Max Nagl, gab es dabei einiges zu entdecken: „Namentlich war mir Wyatt schon ein Begriff. Ich kannte ihn aber vor allem als Sänger von Michael Mantler und ein paar Soft Machine-Stücke. Als Songwriter hab ich ihn erst jetzt kennen gelernt. Auch wenn er gerne tiefstapelt, seine Lieder sind das Gegenteil von einfach, deshalb geben sie im Jazzkontext viel her.\\\\\\\" Neben drei heftigen Eigenkompositionen finden sich auf Market Rasen acht Wyatt-Stücke und eine Adaption von Jacques Offenbachs Baccarole, das Nagl mit interessanten Overdubs angeht. Drei Songs stammen von Wyatts Meisterwerk Old Rottenhat daneben gibt es liebevolle Deutungen neuerer Stück wie CP Jeebies, auch Born again Cretin aus der berühmten Arbeiterliederplatte Nothing can stop me. Dank Nagl geriet das schwärmerische, teils lustvoll in Free-Jazz-Gefilde ausfransende Opus indes nicht ganz unpolitisch. Auf A Saturday In New York quillt Volkszorn unterschiedlichster Ethnien. Nagl: „Da verwendete ich Sprachfetzen, die ich bei verschiedenen Demonstrationen an einem Nachmittag aufnahm.“ Über diesen tagespolitischen Petitessen herrschte aber bei der Umsetzung Wyatts Dogma vom unbedingten Vorrang des Strebens nach Schönheit in der Kunst, einer Schönheit, die auch an ungewohnten Orten zu finden ist. Etwa auf dem Provinzbahnhof Market Rasen. (Samir H. Köck)