Thu Jan. 11, 2007
20:00

Fred Frith & The Arte Quartet „Urban Still“ (GB/CH)

Fred Frith: guitar
Beat Hofstetter, Sascha Armbruster, Andrea Formenti, Beat Kappeler: saxophone

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Er ist der gelebte Widerspruch! Berühmt wurde Fred Frith als kühner Improvisator, der sein Instrument, die Gitarre, durchaus im Wortsinne gegen den Strich bürstete. Mittlerweile genießt er weltweite Anerkennung als Komponist ausufernder, klassisch strukturierter Werke, die ihn im Bereich der Neuen Musik als einen der bedeutendsten Künstler unserer Tage ausweisen. Spätestens als er mit dem Frankfurter „Ensemble Modern“ vor ein paar Jahren die Arbeit „Traffic Continues“ in der Alten Oper uraufführte und anschließend auf CD veröffentlichte, war der Experimentator seiner frühen Jahre zum anerkannten, die akustischen Sensationen seiner Zeit zu stimmigen Klangbildern verarbeitenden Tonsetzer gereift. Jetzt kommt er ins P&B und bringt eine 2004 uraufgeführte Originalkomposition für E-Gitarre, Saxophon-Quartett und vier Ghettoblaster mit: „Urban Still“. Begleitet wird er vom „Arte Quartett“ – Beat Hofstetter, Sascha Armbruster, Andrea Frometti, Beat Keppeler – aus der Schweiz, das sich seit Jahren im Bereich der zeitgenössischen E-Musik einen guten Namen gemacht hat. Die „Neue Zürcher Zeitung“ schrieb: „Das Werk ist allerdings tatsächlich ein Glücksfall: Ein einziges großes Lento aus streng geordneten Saxophon-Kaskaden sorgte für einen tiefen, vorwärts drängenden Puls. Dazwischen waren Splitter von Gitarren-Klängen, Country-Triolen oder bloß leises Rasseln zu vernehmen. Später wurden impressionistische Mikrozonen erreicht, tonloses Schnaufen und Klappern am Saxophon, bevor die dem Stück wie ein fremder Atem zugrunde liegende Tonspur dann mit Verkehrslärm wieder anhob und sich auch der Arte-Klangkörper wieder bündelte in magischer Kraft.“
Frith wurde 1949 als Teil einer durch und durch musikalischen Familie geboren. Schon in jungen Jahren spielte er Klavier, Bass, Keyboards und Mundharmonika. Mit 13 entdeckte er die Gitarre für sich, mit der er bald zwischen Bach, Flamenco, Blues und Rock herumexperimentierte.
Spätestens in seiner Studentenzeit begannen die Genre-Grenzen zu eng für ihn zu werden: Er reicherte das eine mit dem anderen an und reizte die Spielmöglichkeiten auf der Gitarre durch allerlei Verfremdungen aus. Mit seinem Kommilitonen, dem Saxophonisten Tim Hogdkinson gründete er „Henry Cow“, die erste Supergroup einer alle bisher bekannten Spieltechniken außer Acht lassenden Avantgarde. Der 1990 veröffentlichte Dokumentarfilm „Step Across the Border“ von Nicolas Humbert und Werner Penzel breitet das ganze spielerische Potenzial Friths aus. Es ist zu sehen, wie er die Gitarre auf einen Tisch legt, anstatt sie um den Bauch zu schnallen. Er zupft die Saiten nicht, sondern streicht und schlägt sie oder ruft den Ton mithilfe eines kleinen Elektromagneten hervor, einmal lässt er auch Linden auf das Griffbrett rieseln. Der Film macht aber auch deutlich, wie sehr Frith mittlerweile zum Zentrum eines weltweit agierenden Netzwerkes hemmungsloser Improvisatoren geworden ist: Seine tschechischen Kollegen Iva Bittova und Pavel Fajt entwickeln darin beispielsweise ein wunderschönes, zerbrechliches Morgenlied zum Piepen eines Radioweckers. Darin verbirgt sich ein ästhetisches Prinzip, das den gelebten Alltag zum Anlass und Vorbild vieler musikalischer Äußerungen macht.
Heute ist Fred Frith rastlos unterwegs, zuletzt freilich mit gebremstem Tempo. Seine Konzerte sind rar ¬- umso mehr dürfte es Rüsselsheim mit Stolz erfüllen, dass er gerade hier Station macht, bei Redaktionsschluss dieses Programms war die Opelstadt einzige Deutschland-Station seiner Tournee.
In der Sphäre neutönerischer Klangfinder gibt es keinen Musiker von Rang, der nicht mit Frith zusammengespielt hätte oder nicht von ihm, beeinflusst wäre. Mit dem New Yorker Saxophonisten John Zorn brachte er als Bassist in der Formation „Naked City“ Free Jazz und Punk zusammen. Mit dem Frankfurter Komponisten realisierte er vor Jahren in der Mainmetropole dessen Vertonung des Heiner-Müller-Textes „Der Mann im Fahrstuhl“. Und mit seinem „Fred Frith Guitar Quartet“ führt er die E-Gitarre in die zeitgenössische Kammermusik ein. Zusammenarbeiten mit bedeutenden Ensembles der Neuen Musik – etwa das italienische Ensemble „Eva Kant“ oder das „Arditti Quartet“ – machen ihm zum regelmäßigen Gast in den großen Konzerthallen dieser Welt – alles dies im Bestreben, neue musikalische Welten zu erschließen. Wie beschrieb ihn vor Jahren eine Schweizer Wochenzeitung? „Der lachende Außenseiter!“