Thu Jan. 18, 2007
20:00

Harry Sokal & Depart (A/CH)

Harry Sokal: saxophone
Heiri Känzig: bass
Jojo Mayer: drums

Sorry this part has no English translation

Die Schlagzeile von einem der „Comebacks des Jahres“ innerhalb der europäischen Jazzszene hat bereits die Runde gemacht. Ja, „Depart“, das virtuose Schweizerisch-österreichische Trio-Kraftwerk, das zwischen 1985 und 1994 die Festival- und Club-Auditorien elektrisierte, kurvt tatsächlich wieder durch den internationalen Parcours. Wer indessen hört, welch fulminante Töne die drei Herren heute anschlagen, der hört auch rasch, dass es zu kurz greift, hier von bloßer Rück- oder Wiederkehr zu sprechen. Handelt es sich bei „Depart Reloaded“ doch um keine jener Reunionen, in der die Musiker nostalgietrunken dort anknüpfen, wo sie zuletzt aufgehört haben - obwohl sich Zeitgeist und Materialstand längst weiter entwickelt haben. „Depart Reloaded“, das ist ein Neuzusammenschluss dreier Musiker mit gemeinsamer Vergangenheit, dreier in ihren Profilen geschärfter Persönlichkeiten, die ihre individuell gewonnenen Erfahrungen der letzten zehn Jahre nun zueinander in Beziehung setzen. Und dabei auf die unschätzbare Ressource einer schlafwandlerischen Interaktionssicherheit bauen können. Da ist Harry Sokal, der gebürtige Wiener und mittlerweile längstdienende Recke des „Vienna Art Orchestra“, zudem einer der führenden Post-Coltrane-Saxofonisten, der dank seines brillanten melodisch-harmonischen Verständnisses Töne über die Akkorde legt, als würde „ein Vogel durch vier verschiedene Jahreszeiten fliegen“ (Sokal). Und der sich zuletzt - nach Groove-orientierten Bandprojekten in den 90ern (u. a. mit Gerald Veasley, Matthew Garrison) - im Trio-Format auch bewusst mit der Jazztradition auseinander setzte. Da ist das Schweizer Bassisten-Schwergewicht Heiri Känzig, mit Sokal im Quintett des legendären Flügelhornisten Art Farmer und dem VAO musikalisch aufgewachsen, später der als erster Nichtfranzose Mitglied des Orchestre National de France in Paris und gesuchter Begleiter von Musikern wie Thierry Lang, Kenny Wheeler, Paolo Fresu und Didier Lockwood. Zuletzt war er mit seinem Großprojekt „Thien Shan-Schweiz-Express“, in dem er Volksmusiker aus Zentralasien, der Mongolei, Österreich und aus der Schweiz zusammen führte, zugange. Und da ist Jojo Mayer aus Zürich, als blutjunger, ungezähmter „Schlagzeug-Hengst“ einst nur Trio-„Ersatzmann“ für den durch einen gebrochenem Arm gehandicappten Fredy Studer, spätestens seit seiner Mitwirkung in David Fiuczynskis „Screaming Headless Torsos“ auch in der New Yorker Szene ein kultig verehrter Könner seines Fachs, der u. a. im Projekt „Nerve“ und mit der Veranstaltungsreihe „Prohibited Beatz“ sein Ohr ganz nahe an zeitgenössischen Grooves aus der Computer-Retorte hat. (...)
Kein Zweifel: Hier sind drei Musiker am Werk, deren Horizont sich in vielerlei Richtungen erweitert hat und die weiterhin Offenheit für aktuelle Strömungen zeigen. Drei gereifte Männer, die zwar immer noch zu enormer Energieentwicklung fähig sind, die ihr Ohrenmerk jedoch ebenso auf elastisch-filigrane Ensemble-Balance und die Aussage jedes einzelnen Tons legen. Von einem „Comeback“ zu sprechen, scheint da eine glatte Untertreibung. (Andreas Felber)