Mon Feb. 12, 2007
20:00

Anat Fort Trio feat. Perry Robinson (ISR/USA/D)

Anat Fort: piano
Perry Robinson: clarinet
Ed Schuller: bass
Roland Schneider: drums

Sorry this part has no English translation

Die Nachricht von der außergewöhnlichen Aufnahme hatte schon die Runde gemacht, als der Veröffentlichungstermin noch in weiter Ferne lag. Etwas verlegen erzählt Anat Fort von dem Abend, als sie im „Village Vanguard“ vom Schlagzeuger John Riley auf ihr Album angesprochen wurde und der Gitarrist Bill Frisell, der nebenan stand, plötzlich aufhorchte: „Du bist das? Ich hab’s gehört!“.
„Jeder scheint das Album zu kennen“, fährt sie fort. „Es ist zwar bereits vor drei Jahren aufgenommen worden, aber es erscheint doch erst Anfang 2007.“ Nun, Frisell hatte Stücke von Forts Album „A Long Story“ in einem New Yorker Studio zu hören bekommen; andere hatten nur Namen, nicht aber die gleichermaßen sanften und aufwühlenden Kompositionen gehört, die auf der CD mit Piano, Klarinette, Bass und Schlagzeug zum Leben erweckt werden. Als die Pianistin Ende November mit ihrem Trio im Keller des „Cornelia Street Café“ im Greenwich Village auftrat, sprach sie wieder ein Zuhörer an. Es fielen die Worte „gratuliere“, „ECM“ „Eicher“, „Motian“.
Das Album „A Long Story“, das Ende Jänner bei dem Label ECM erscheint, markiert einen neuen Abschnitt für Anat Fort: Die Pianistin wird mehr Zeit in Europa und im Rest der Welt verbringen, ihre eigene Musik spielen und sich stärker auf ihre kreative Arbeit verlassen, als sie es bisher tun konnte. In den vergangenen zehn Jahren hat Fort in New York gelebt und sich langsam einen Ruf als Improvisatorin und Komponistin aufgebaut. Sie gab Konzerte in der Stadt, trat in Europa und in ihrem Heimatland Israel auf und erhielt Aufträge Musik zu komponieren und traditionelle Stücke zu arrangieren. Durch ihre New Yorker Kontakte konnte Fort 2004 den Schlagzeuger Paul Motian für eine gemeinsame Aufnahme gewinnen. Motian kam mit dem Bassisten Ed Schuller und dem Klarinettisten Perry Robinson ins Studio und war von Forts Musik so angetan, dass er sich schließlich bei ECM für die Aufnahme stark machte. Labelboss Manfred Eicher versprach das Album zu veröffentlichen, setzte aber kein Datum fest. Es sollten fast drei Jahre vergehen, bis das Label die Musik in den Handel brachte.
Schon bevor eine einzige CD über den Ladentisch gegangen ist, hat Fort vor allem aber einen persönlichen Gewinn von ihrer Aufnahme verbucht. „Wenn man die Chance bekommt, mit Musikern wie Paul Motian und mit den ECM-Leuten zu arbeiten, die sich alle nur auf dem höchsten Niveau bewegen, dann wird man selbst auf dieses Level gehoben“, bestätigt Poul Weis, der Kurator im „Cornelia Street Café“, der Forts Entwicklung seit 2003 mitverfolgt hat. „Ich spürte, dass ihr diese Sache viel Energie und Respekt gegeben hat. Ihre Identität und ihr Selbstbewusstsein hat sich verändert.“
Obwohl die Künstlerin von Publikum und Kritik in New York gute Rückmeldungen bekam – die Publikation „All About Jazz“ listete ihre Darbietung als „eine der besten Jazz Shows 2003“ – brauchte sie lange, um sich mit ihrem Stil wohl zu fühlen. Forts klassische Ausbildung und ihre Verbindung zu israelischer Musik, die in ihrer Jugend in einem Vorort von Tel Aviv natürlich herangewachsen war, ließ sich nicht reibungslos in die US-Jazzwelt übersetzen; auch ihre Herangehensweise an das Piano war ungewöhnlich.
„Normalerweise ist es im Klavierspiel so, dass die rechte Hand die Melodie spielt und die linke begleitet“, erklärt sie. „Aber ich höre Musik nicht so. Ich höre Linien. Akkorde gehören manchmal dazu, aber sehr oft macht meine linke Hand ähnliche Dinge wie die rechte. Ich habe während meiner Ausbildung nicht viele Leute gehört, die so spielten. Aber ich dachte mir nie: Oh, ich habe etwas Einzigartiges. Ich dachte mir: Mist, ich kann nicht so, wie ich sollte.“
Fort suchte bewusst einen traditionellen Zugang zum Jazz, als sie 1991 an der William Paterson University, einem kleinen College in New Jersey, vorspielte. Sie wurde aufgenommen, musste aber wegen Visa-Bestimmungen zurück nach Israel und kam ein Jahr später, im Alter von 22 Jahren, wieder. Fort bekam viel Aufmerksamkeit von Lehrern wie dem Bassisten/Trompeter Rufus Reid und den Pianisten Norman Simmons und Harold Mabern. „Ich wusste, dass sie mir den traditionellen Jazz einhämmern würden, und ich war bereit, das zu akzeptieren“, sagt sie. „Aber es war nicht von Natur aus meine Sache.“
Fort komponierte immer mehr eigene Musik, zog nach ihrem Abschluss nach New York, und suchte andere Lehrer, u.a. den Pianisten Paul Bley. Sie produzierte und veröffentlichte ihr erstes Album „Peel“ 1999 in Eigenregie; erst nach der Aufnahme formte sie ihr Trio mit dem US-Bassisten Gary Wang und dem deutschen Schlagzeuger Roland Schneider (er begleitet Fort auch auf der aktuellen Tournee; statt Wang spielt Ed Schuller Bass). Durch das lange Zusammenspiel mit ihrer Band gewann Fort Sicherheit. Eine Bemerkung, die Manfred Eicher während der Abmischung des Albums machte, trug weiter dazu bei, Forts innere Spannung zu lösen. „Im Grunde sagte er: Dein Problem ist das, was ich mag, und was ich als einzigartig wahrnehme“, erzählt Fort. „Ich erinnere mich, dass ich danach heimging und dachte: Er weiß gar nicht, wie viel mir das bedeutet.“
Heute fühlt sich Anat Fort mit ihrer Musik wohl. Sie ist eine weitsichtige und reife Improvisatorin; sie bewegt sich auch in hektischen und dichten Umgebungen spielerisch und leichtfüßig, hat den Endpunkt jeder Phrase stets im Blick und bricht nie in Läufe aus, die nur ihre Virtuosität am Instrument unterstreichen. Mit der Tour zu „A Long Story“ streift sie ihre Rolle als New Yorker Geheimtipp ab und tritt in ein neues, für sie selbst ungewohntes Territorium. Die Menschen, die sie kennen, hegen keine Zweifel, dass die für den Schritt mehr als bereit ist. „Anat ist mit dem, was sie emotional bewegt, wirklich in Verbindung“, sagt Wang, der Bassist aus Forts Trio. „Es gibt in ihrer Musik nichts, das ohne Grund da ist – alles drückt das aus, was sie ausdrücken will. Deshalb reagieren die Leute auf diese Musik.“ (Michael Huber)