Mon April 30, 2007
21:00

Gansch and Roses (A)

Besetzung: tba

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Schrill und schräg, charmant und rasant, verträumt und fröhlich, frech und schön schnulzig. Von einer der witzigsten und verspieltesten Jazzplatten des Jahres ist zu berichten: Gansch and Roses.
Das Album „Gansch and Roses“ des Labels Quinton mit der gleichnamigen Formation enthält eine knappe Stunde ausgelassenster Performance zwischen Jazz, vergnüglich-schräg geblasenen Volksmusik-Reminiszenzen und Einsprengseln aus den denkbar verschiedensten musikalischen Welten. Dabei ist der Sound unerhört luftig und doch keinen Ton lang blass. Ein steter, organischer Fluss von Klangfarben, die transparent und doch geerdet sind. An den Instrumenten um den Trompeter Thomas Gansch agieren vorwiegend Musiker des Vienna Art Orchestra, u. a. Sax-Player Florian Bramböck und Harry Sokal, Posaunist Ed Partyka und Bassist Georg Breinschmid. Als musikantisches Katz-und-Maus-Spiel kommt „Tom & Jerry“ daher. Von unverbrauchter Fröhlichkeit ist: „Flozirkus“. Sympathisch sentimental und schräg: „Confuse A Waltz“. Und schließlich urig und rustikal: „Steirer 3er“.
Der Band-Name „Gansch and Roses“ fiel vor rund zehn Jahren einem Nachbarn im Colarot-Rausch im „Goldenen Ochsen“ zu Melk ein. „Der war sich der Tragweite seines erfundenen Kosenamens kaum bewußt“, sagt Gansch, „aber seit diesem denkwürdigen Tag war mir klar, dass meine Band, wie auch immer sie aussehen würde, einmal diesen klingenden Namen tragen sollte.“
Thomas Gansch, geboren und aufgewachsen in einer prominenten Musikerfamilie in Melk, wollte zwar mit 14 Jahren noch Maurer werden, „hatte aber nie wirklich eine Chance, was anderes zu tun als Musik“. Der „Urknall“ für den heute 26-jährigen war Dizzy Gillespie. „Als ich die Aufnahme eines Live-Konzertes in London hörte“, sagt Gansch, „da war ich auf einmal ein anderer Mensch.“ Er ging nach Wien, um an der Hochschule klassische Trompete zu studieren. Heute ist er einer der fleißigsten in der österreichischen Jazz-Szene: Mitglied bei „Pro Brass“ und im „Salonorchester Alhambra“. Außerdem konzertiert Gansch mit dem Vienna Art Orchestra, für dessen Programm „A Centenary Journey 1900-2000“ er zwei Nummern geschrieben hat. (...)
Mit der Gruppe „Mnozil Brass“ strebt Gansch aus den goldenen Sälen der Klassik zurück zu den Wurzeln österreichischer Blasmusik und will Musik aus dem Leben fürs Leben spielen: Mitreißend und manchmal zum Sterben schön, mit großem Pathos oder dann wieder verloren aus dem letzten Loch pfeifend, romantisch, witzig, beißend, tanzwütig und unendlich kreativ. Dabei kultiviert er „angewandte Blasmusik für alle Lebenslagen“ und führt den Leuten vor Augen, dass die hiesige Volksmusik in all ihrer Vielfalt noch nicht der Käseglocke konservativer Brauchtumschützer oder anderen Missbräuchen zum Opfer gefallen ist, sondern dass sie lebt. Dass sie ebenso gut wie andere Volks- und Kunstmusiken begeistern und berühren kann. Und dass sie trotz ihrer Bodenständigkeit in der Lage ist, sich anderen Musikstilen bis zum Kommerz zu öffnen, diese zu integrieren und so zu einem neuen musikalischen Ausdruck zu finden. Unterschiedliche Stile werden innerhalb der einzelnen Stücke und damit auf engstem Raum miteinander verbunden. Romantische Harmoniefolgen neben zupackenden Rhythmen und humoreske Klänge neben schrillen Improvisationen. Was er will, nimmt er sich. Mit freifliegender Pfeif-di-nix-Wurstigkeit. Hauptsache, es fährt ab. Gansch strickt seine Kompositionen so raffiniert, dass sie jede Menge Punkte zum Entlanghören bieten - und doch an allen wichtigen Punkten Wendungen nehmen, mit denen keiner rechnet. Dieses Wissen um Klischee und die Brillanz, mit denen sie umschifft werden, würzt die Platte mit einer Fülle angenehmer, oft witziger Überraschungen. Seines Erachtens gibt es sowieso keine Grenzen zwischen den Musikstilen. „Nur Energie muss es haben.“ Etwa wenn man die Trisch-Tratsch-Polka auf James Bond trimmt. Gansch weiß: Was er macht, ist nichts für Puristen. Keine Schnulze, kein Pop-Hit ist vor den frechen Arrangements der derzeit wohl spannendsten Blaskapelle im Land sicher, und das alles mit der Kraft eines feuchtfröhlichen Frühschoppens. Er entwickelt intellektuell-ironische Arrangements für kleinere und größere Ensembles. Während er quer durch die Musikgeschichte düst, finden kaputte Schönheit und liebreizende Derbheit bei ihm zu einem homogenen Ganzen, traditionelle Swing-Beats verbünden sich mit filigraner Melodik. Und dabei spielt Humor eine ebenso große Rolle wie die Melancholie. Das muss man wissen, um eine Vorstellung von „Gansch and Roses“ zu haben. Dass die Musikanten Märsche, Walzer und Polkas intus haben. Also angewandte Blechmusik. Dass Gansch ein Multilinguist unter den Jazzmusikern der Gegenwart ist - fähig, sich gleichermaßen mit Walzer, Pop- und Neuer Musik auseinander zu setzen. Und dass die Band immer immense Spielfreude und ihre Lust am Spass vermittelt. (Werner Rosenberger)